Digitales Dokumentenmanagement

“Digitale Prozesse erfordern ein DMS”

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) praktizieren nach wie vor das analoge Büro. Das heißt, sie hantieren mit Papierdokumenten und legen Geschäftsinformationen dezentral im Dateisystem ab. Das habe jedoch keine Zukunft, sagt Andreas Ahmann vom Beratungsunternehmen 42i.  Künftig sei digitales Dokumentenmanagement und damit der Einsatz eines Dokumentenmanagementsystems (DMS) unverzichtbar, so der DMS-Fachmann im Interview.

Viele KMU haben kein zentrales digitales Dokumentenmanagement, sondern führen ihr Informationsmanagement überwiegend papierbasiert durch. Warum ist das heute nicht mehr sinnvoll?

Andreas Ahmann: Die Vorteile von Papier sind: Sie können es in der Hand halten, es benötigt zur Ansicht keinen Strom, und es kann nicht gehackt werden. Da hören die Vorteile aber auch schon auf. Alles andere können Sie mit digitalen Unterlagen besser machen: Auf digitalen Dokumenten basierende Prozesse lassen sich ganz einfach parallelisieren und somit stark beschleunigen. So können zum Beispiel alle beteiligten Kostenstellenleiter eine Eingangsrechnung gleichzeitig prüfen.

Und: Digitale Unterlagen gehen nicht verloren. Sie landen nicht auf dem falschen Schreibtisch oder fallen vom Stapel, denn die Software unterstützt Sie beim Ordnen. Sollten Sie sich doch einmal vertan haben, finden Sie jedes Dokument anhand von Attributen oder über eine Volltextrecherche leicht wieder.

Mit passenden Berechtigungskonzepten können Sie Ihre digitalen Unterlagen zudem viel individueller schützen als mit Schrank- oder Büroschlüsseln. Missbrauch oder versehentliches Vernichten lassen sich effektiv verhindern. Auch Backups sind problemlos machbar.

Elektronische Akten überstehen also selbst Katastrophen wie Feuer- oder Wasserschäden. Darüber hinaus nehmen sie keinen Platz im Archivkeller weg. Und um sich digitale Unterlagen anzusehen, brauchen Sie sie nicht erst aus dem Schrank zu holen. Stattdessen werden die Dokumente auf Knopfdruck angezeigt. Das spart Zeit und Geld. Kurzum: Steht auf dem Schreibtisch sowieso ein Bildschirm, gibt es keinen Grund, diesen nicht auch für digitale Dokumente und Prozesse zu verwenden.

 

Andreas Ahmann
Andreas Ahmann ist geschäftsführender Gesellschafter der 42i GmbH, eines unabhängigen Beratungsunternehmens rund um das Thema digitale Transformation, mit Sitz in Paderborn. Er ist seit mehr als drei Jahrzehnten in der Informationstechnologie zu Hause, davon mehr als zwanzig Jahre speziell in den Bereichen Enterprise Information Management (EIM), Dokumentenmanagement und Archivierung. Zu seinem Leistungsportfolio gehören Workshops, Seminare und Vorträge zu den Möglichkeiten und zum Nutzen von EIM sowie Unterstützung bei der Produktauswahl und -einführung, inklusive Veränderungsmanagement (Change-Management).
a.ahmann@42i.org

 

Inwieweit verschärft die voranschreitende Digitalisierung den Handlungsdruck auf Unternehmen, ein DMS einzuführen?

Ahmann: Der Druck entsteht durch die Erwartungshaltung des Kunden: Dieser erwartet nicht nur, Waren und Dienstleistungen immer schneller geliefert zu bekommen, sondern auch, permanent über den Bearbeitungsstatus seiner Bestellung informiert zu werden. Dauert eine Lieferung länger und wird nicht regelmäßig über den Fortschritt informiert, ist der Kunde heute sehr schnell unzufrieden. Passiert das mehr als einmal, ist er weg.

Welche Auswirkungen Kundenunzufriedenheit haben kann, zeigt das Beispiel der katalogbasierten Versandhäuser. Diese sind nicht nur deshalb vom Markt verschwunden, weil sie keine Onlinebestellmöglichkeit angeboten hatten. Auch die fehlende Transparenz in der Logistik hat Käufer zu digitalen Mitbewerbern getrieben.

Ein Gegenbeispiel ist Uber: Selbst ohne eigene Taxis haben sie den etablierten Unternehmen die Kunden weggenommen: durch Einfachheit, Geschwindigkeit und Transparenz.

Die heutige Erwartungshaltung im Hinblick auf Geschwindigkeit und Transparenz zwingt die Unternehmen, ihre Geschäftsprozesse zu automatisieren. Papierbasierte Unternehmen sind entweder schon vom Markt verschwunden oder werden es bald sein.

Die Lösung: Digitalisierung. Und digitale Prozesse erfordern zwangsläufig digitale Unterlagen und Informationen – womit wir bei der Einführung eines DMS sind.

Ein häufiger Projektauslöser für die Einführung eines DMS ist das Thema Archivierung. Welche Vorzüge bietet digitales Dokumentenmanagement hier, etwa im Hinblick auf die regulatorischen Rahmenbedingungen?

Ahmann: Die Einhaltung der Gesetze und Vorgaben bezüglich Aufbewahrung, Vernichtung und Umgang mit Informationen, Daten und Dokumenten ist auf Papier inzwischen kostspielig bis unmöglich. Rein papierbasiert arbeitet heute wohl kaum noch ein Unternehmen. Schon seit Jahren sind E-Mails Handelsbriefe und unterliegen wie ihr Papier-Pendant der Aufbewahrungspflicht. Auch wer ansonsten noch mit Papier arbeitet, muss solche digitalen Unterlagen rechtssicher, das heißt im elektronischen Originalformat aufbewahren.

Ein DMS hilft dabei, alle im Unternehmen vorhandenen Informationen aus unterschiedlichen Quellen zentral zu verwalten und so die Compliance übergreifend umzusetzen.

Ein weiterer Vorteil: Referenzen auf personenbezogene Daten sind in einem digitalen Archiv leicht umzusetzen bzw. in neueren Versionen der angebotenen Software oft als Zusatzoption inkludiert. Die Anwendung der DSGVO ist damit keine große Hürde mehr.

Viele Firmen haben neben Dokumenten aber auch weitere Daten, zum Beispiel in ERP– oder CRM-Systemen bzw. Fachapplikationen. Oft können diese Daten mittels eines DMS ebenfalls in eine rechtskonforme Ablage eingebunden werden.

Archivierung ist aber längst nicht die einzige Funktion eines DMS. Welche weiteren zentralen Anforderungen bzw. Funktionsbereiche gibt es – und welche Rolle spielen sie für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens?

Ahmann: Lange lag der Schwerpunkt eines DMS auf dem Aspekt der Verwaltung von Dokumenten. Die großen Potenziale im Sinne von Kostensenkung und Umsatzsteigerung liegen aber in den Geschäftsprozessen. Hier geht es um Transportzeiten, die durch den Einsatz eines DMS entfallen, sowie um Liegezeiten, die von integrierten Workflow-Funktionen parallelisiert und kontrolliert werden können, und um Bearbeitungszeiten, welche deutlich verringert werden. Oder aktuell sogar durch künstliche Intelligenz (KI) abgelöst werden.

Die entscheidende Frage lautet: Was kostet ein Prozessdurchlauf, beispielsweise das Bezahlen einer Eingangsrechnung? Sind das 10 Euro? 5 Euro? 1 Euro? Der Trend geht hier klar in Richtung null Euro, und das ist künftig auch der Maßstab für andere Prozesse im Unternehmen.

Damit ist die zentrale Anforderung, einen Workflow – erweitert mit KI-Funktionen – sowie die notwendigen Schnittstellen zu anderen Systemen wie ERP, CRM, Office oder Fachanwendungen zu schaffen, um die Prozesse wirklich “End-to-End” digitalisieren zu können.

In der Folge können die Mitarbeiter die täglichen Standardaufgaben mehr und mehr der Maschine überlassen und sich auf die komplexeren Aufgaben konzentrieren. Das erhöht den Durchsatz bei gleichen Kosten erheblich. Und durch transparentere und schnellere Prozesse sowie durch weniger Irrläufer steigt die Kundenzufriedenheit – was wiederum Folgegeschäft generiert. Es geht also nicht nur um Kostensenkung und Compliance-Anforderungen, sondern auch um Umsatzsteigerung.

Worauf sollten Neueinsteiger bei der Auswahl eines DMS besonders achten?

Ahmann: Wer in seinem Unternehmen “auf der grünen Wiese” mit einem DMS-Projekt beginnt, findet die größte Hürde oft nicht in der Technik. Die etablierten Produkte am Markt können die aktuellen Anforderungen aus den Bereichen Compliance, Workflow und Informationskonsolidierung/-verwaltung ähnlich gut umsetzen. Die Herausforderung ist eine andere: Wollen Sie ein Produkt, das sich der eigenen Organisation anpassen kann oder können Sie Ihre Organisation dem Produkt anpassen? Wer zu Letzterem bereit ist, kann eine Standardlösung nehmen und die Einführung schneller und günstiger gestalten. Dafür sind die organisatorischen Auswirkungen stärker.

In beiden Fällen ist die Akzeptanz der beteiligten Mitarbeiter ein kritischer Erfolgsfaktor. Die Mitarbeiter müssen die Veränderungen mitgehen, sonst ist das Projekt bereits in Gefahr, bevor es begonnen hat. Sie sollten also bei der Produktauswahl nicht nur auf die Standardfunktionen achten, sondern den Eindruck der Lösung auf ihr Projektteam nicht unterschätzen und das Change-Management nicht vergessen.

Abschließend ein Blick in die Zukunft: Inwieweit wird sich digitales Dokumentenmanagement im deutschen Mittelstand in den kommenden Jahren durchsetzen?

Ahmann: Unternehmen – unabhängig von ihrer Größe – werden kontinuierlich digitalisieren. Das Ziel sind Geschäftsprozesse mit minimalsten Durchlaufkosten im Standardfall. Die heranwachsende Generation wird kein Papier mehr zulassen, weil es einfach unhandlich ist und zu viel Mehraufwand und Kosten verursacht. Der steigende Wettbewerbsdruck mit einem enormen Potenzial für disruptive Innovationen in allen Märkten und Branchen bringt sein Übriges. Unternehmen müssen sich durch Geschwindigkeit, Transparenz, Flexibilität und Kostenbewusstsein behaupten. Um das zu erreichen, werden sie an digitalen Unterlagen, Dokumenten, Informationen und – vor allem – an digitalen Geschäftsprozessen in den nächsten Jahren nicht mehr vorbeikommen.

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