Fertigungssteuerung PPS

Fertigungssteuerung – was tun, wenn Excel überfordert ist?

Viele kleine und mittlere Produktionsbetriebe setzen zur Fertigungssteuerung hauptsächlich Microsoft Excel ein. Das führt oft zu Problemen. Unser Autor Klaus Stierle plädiert deshalb dafür, ERP-Software bzw. eine Warenwirtschaftslösung als führendes System zu nutzen. Hier seine Erfahrungen und Empfehlungen.

Seit mehr als zehn Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Planung und Steuerung der Fertigung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Dabei habe ich in zahlreichen Terminen mit Verantwortlichen festgestellt: Kein anderes Tool wird häufiger zur Planung und zur Fertigungssteuerung eingesetzt als Microsoft Excel. Würde die Tabellenkalkulation hier keinen Nutzen stiften, würden die Betriebe sie auch nicht einsetzen. Anstelle eines plumpen Excel-Bashings ist daher ein differenzierter Blick sinnvoll. Doch, schauen wir uns zuerst an, worum es eigentlich geht: die Produktionsplanung und -steuerung, kurz: PPS.

Welche Aufgaben erfüllt die Produktionsplanung und -steuerung?

PPS umfasst die Produktionsplanung, die Produktionssteuerung und – nicht zu vergessen – die Produktionsnachverfolgung. Alle drei Teilaufgaben dienen am Ende demselben Ziel: nämlich dem Kunden die bestellte Ware in hoher Qualität termingerecht zu liefern. Wenn ein Unternehmen die Ware selbst fertigt, müssen die entsprechenden Prozesse so ausgelegt sein, dass dieses Ziel auf effiziente Weise erreicht wird.

Produktionsplanung

Bei der Produktionsplanung – oder auch: Fertigungsplanung – geht es darum, einen Überblick über sämtliche Arbeitsschritte bis zum fertigen Produkt zu gewinnen. Hierzu legt man fest, welche Arbeitsschritte wann und unter Nutzung welcher Produktionsressourcen ausgeführt werden sollen. Dabei spielen sowohl die Dauer als auch die Reihenfolge der Schritte eine Rolle. Das Ergebnis schlägt sich in der zeitlichen Kapazitätsauslastung und der Feinplanung nieder (z. B. für eine bestimmte Kalenderwoche). Die Produktionsplanung dient dem Ziel, Kapazitätsengpässe, aber auch Leerlauf zu erkennen. Damit sind sowohl Terminaussagen als auch kostenoptimierende Entscheidungen hinsichtlich Eigen- oder Fremdproduktion möglich.

Produktionssteuerung

Rückt der eigentliche Fertigungstermin näher, gilt es, die einzelnen Arbeitsschritte zu organisieren – insbesondere im Hinblick auf die meist kurze Periode der Feinplanung. Genau in dieser Phase der Fertigungssteuerung kann es komplex werden. Denn jetzt geht es um:

  • termingerechte Bereitstellung von Produktionsanlagen, Personal und Material
  • schnelle Reaktion auf ungeplante Ereignisse wie den Ausfall von Produktionsanlagen, Materialknappheit, Probleme im Produktionsprozess
  • Terminänderungen seitens des Kunden oder die kurzfristige Einsteuerung neuer Aufträge

Auf die bisher relativ gut überschaubare Produktionsplanung wirken nun Effekte aus weiteren Bereichen des Unternehmens, beispielsweise aus Vertrieb, Einkauf, Lagerhaltung oder Qualitätsmanagement. Planänderungen betreffen eben nicht nur die Fertigung. Häufig müssen mehrere Bereiche des Unternehmens einen Beitrag zur Lösung von Problemen in der Fertigung leisten.

Produktionsnachverfolgung

Während des Produktionsprozesses ist es notwendig, den Stand der Arbeitsschritte jederzeit zu überblicken. Diesem Zweck dient die Produktionsnachverfolgung. Sie ermöglicht es dem Unternehmen, Probleme in der Fertigung rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Bei der Nachverfolgung werden somit Planung und Istzustand laufend abgeglichen. Das erfordert Transparenz hinsichtlich:

  • Menge und Qualität der fertiggestellten Artikel
  • Soll- und Istzeiten
  • Materialbestände und -verbrauch
  • Fortschritt in den einzelnen Arbeitsschritten

Produktionsnachverfolgung ist ohne eine Betriebsdatenerfassung direkt in der Fertigung und während des gesamten Prozesses nicht machbar – vor allem dann nicht, wenn bei den Arbeitsprozessen weitere Daten für das Qualitätsmanagement und die Chargenverwaltung ermittelt und gespeichert werden müssen.

Was kann Excel bei der Fertigungsplanung und Fertigungssteuerung leisten – und was nicht?

Schauen wir uns nun an, bei welchen Aufgaben der Einsatz von Excel überhaupt sinnvoll ist. Bei der Fertigungssplanung etwa erhält man mithilfe von Excel durch die zeitliche Zuteilung von Fertigungsaufträgen schnell eine brauchbare Übersicht über die Produktionskapazitäten. Vorausgesetzt, die Anzahl der Maschinen, Arbeitsschritte und Fertigungsaufträge bewegt sich in einem handhabbaren Umfang. Vorteil von Excel: Das notwendige Bedienungs-Know-how und die Lizenzen sind in den meisten Betrieben ohnehin vorhanden.

Die Probleme entstehen meist dann, wenn es an die Fertigungssteuerung geht.

Viele Produktionsbetriebe versuchen, diesen Aufgabenbereich in die Excel-Systematik einzubauen. Dies ist oftmals ein schleichender Prozess, der dazu führt, dass Daten parallel oder in Konkurrenz zum Warenwirtschaftssystem gehalten werden. In der Folge entstehen immer mehr Tabellen und Verknüpfungen. Zugleich wird die Logik anfällig für ungewollte Datenänderungen. Um dem zu begegnen, schützt man die zunehmend komplexeren Tabellen mit Passwörtern. Irgendwann gibt es im Betrieb nur noch eine einzige Person, die das System im Griff hat.

Ich bin in den vergangenen Jahren mehrfach zu Hilfe gerufen worden von Unternehmen, bei denen der für das Excel-Produktionssystem verantwortliche Mitarbeiter ausgefallen war und die Fertigung vorerst nur deshalb weitergeführt werden konnte, weil glücklicherweise noch keine Störung und kein Anpassungsdruck auf die Logik aufgetreten waren.

Mein Fazit: Microsoft Excel ist zwar als Tool zur Unterstützung der Fertigungsplanung geeignet – als führendes Produktionssystem zur Fertigungssteuerung taugt es hingegen kaum. Daher sollten produzierende Unternehmen auf ERP- bzw. Warenwirtschaftssoftware als führendes System setzen und dabei stets die folgenden grundlegenden Tipps beherzigen.
 

5 Tipps für kleine und mittlere Fertigungsbetriebe

Tipp #1
Setzen Sie Excel zur Analyse und Veranschaulichung von Daten ein. Dafür ist es hervorragend geeignet.

Tipp #2
Speichern sie dauerhaft benötigte Daten in den Datenbanken Ihres ERP-Systems bzw. Ihrer Warenwirtschaftssoftware – nicht in Excel. Ziehen Sie sich Daten aus dem führenden Datenbanksystem zur Auswertung in Excel und aktualisieren Sie diese Daten regelmäßig.

Tipp #3
Versuchen Sie es erst gar nicht, komplexe Probleme in der Produktionssteuerung über Excel zu lösen. Ein solches System wird früher oder später zu einem Problemfall.

Tipp #4
Wenn Sie diesen Weg (s. Tipp #3) schon gegangen sind, verlagern Sie die wesentlichen Teile der Produktionssteuerung in Ihr ERP-System bzw. in Ihre Warenwirtschaftslösung. Schaffen Sie auf diese Weise transparente Strukturen, die Abhängigkeiten vom Know-how einzelner Mitarbeiter reduzieren.

Tipp #5
Bearbeiten und speichern Sie die Daten zur Qualitätssicherung und Chargennachverfolgung im ERP-Produktionssystem – nicht in separaten Excel-Tabellen.


 

Welche Rolle spielt Excel bei der Digitalisierung von Fertigungsprozessen?

Wie alle Unternehmen stehen auch kleine und mittlere Fertigungsbetriebe, die zurzeit Excel-basiert arbeiten, vor der Herausforderung, ihre Abläufe weiter zu digitalisieren. Damit stellt sich die Frage, wie das Instrument Excel im Kontext der Prozessdigitalisierung zu bewerten ist. Um darauf eine Antwort zu finden, gilt es, vom Ziel her zu denken.

Primäres Ziel der von Digitalisierung ausgelösten Veränderungen sind durchgehend digitale Prozesse in der Fertigung – von der Bedarfsermittlung und der Formulierung des Fertigungsauftrags bis zur Bereitstellung des fertigen Artikels im Lager oder für den Versand. Hierfür benötigt man ein durchgehendes System, sodass keine Daten verspätet erfasst werden oder verloren gehen. Sämtliche Informationen müssen dort in das System eingespeist werden, wo sie entstehen. Und alle beteiligten Mitarbeiter müssen auf die relevanten Daten zugreifen können. Solche digitalen Prozesse sind eine Grundvoraussetzung für die Nutzung von Technologien wie 5G sowie für Automatisierung und die Vernetzung mit Kunden und Partnern.

Für die Fertigung bedeutet dies, dass Produktionsplanung, Steuerung und Nachverfolgung in einem (!) konsistenten System aus Warenwirtschaft, Fertigung und Lagerhaltung erfolgen müssen.

KMU, die noch ohne ein solches System produzieren, sollten sich schrittweise daran machen, Teilbereiche aus Excel in ein System der Warenwirtschaft und der Produktionsplanung und -steuerung zu transferieren. Falls Excel im Einsatz bleiben soll, sollte wenigstens eine zentrale Datenhaltung mit Synchronisierung angestrebt werden. Unter diesen Bedingungen hat Excel auch zukünftig einen Platz.
 
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Klaus Stierle
Autor dieses Beitrags
Klaus Stierle ist als “Manager Digitalisierung” bei HS – Hamburger Software dafür verantwortlich, die Anforderungen des Marktes aufzunehmen und ihre Umsetzung in digitale Lösungen zu koordinieren. Er gehört dem Unternehmen seit mehr als 25 Jahren an und verfügt über umfangreiche Projekt- und Führungserfahrung. Zu seinen Spezialgebieten zählen Warenwirtschaftssysteme, Lagerlösungen und Fertigungssoftware.

 
Bildquellen: auremar – stock.adobe.com (Beitragsbild oben), HS – Hamburger Software (Porträt)