Lohn- und Gehaltsvorschüsse rechtssicher gestalten

Lohn- und Gehaltsvorschüsse rechtssicher gestalten: Was Arbeitgeber wissen sollten

 
In eine finanzielle Schräglage zu geraten, kann schnell passieren. Gut, wenn der Arbeitgeber seinen Beschäftigten dann unkompliziert und unbürokratisch mit einem Vorschuss aushelfen kann. Dieser Beitrag zeigt, wie Lohn- und Gehaltsvorschüsse funktionieren, wie Arbeitgeber sie richtig auszahlen und worauf in rechtlicher Hinsicht zu achten ist.

Steigende Preise und hohe Inflation machen zurzeit vielen Menschen zu schaffen. Wenn dann auch noch zur Monatsmitte eine unerwartet hohe Rechnung – etwa für das defekte Familienauto – ins Haus flattert, ist die Haushaltskasse schnell überfordert. In solchen Situationen haben Arbeitgeber die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern Gehaltsvorschüsse anzubieten. Doch wie funktioniert so ein Vorschuss vom Arbeitgeber eigentlich? Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Was sind Lohn- und Gehaltsvorschüsse?

In § 614 BGB ist gesetzlich geregelt, dass Arbeitgeber die Vergütung erst nach Erbringung der Arbeitsleistung auszahlen müssen. Benötigt ein Beschäftigter jedoch bereits vor dem festgelegten Auszahlungstermin finanzielle Mittel, kann der Arbeitgeber einen Teil der anstehenden Vergütung oder auch einen höheren Betrag vorab auszahlen.

Charakteristisch für einen solchen Vorschuss vom Arbeitgeber ist, dass der Mitarbeiter die der Auszahlungzugrunde liegende Leistung noch gar nicht erbracht hat. Darüber hinaus gibt es auch das System “On-Demand-Pay”. Dabei können Arbeitnehmer flexibel über den Teil ihres Gehalts verfügen, den sie bereits erarbeitet haben, und sich diesen bei Bedarf (“On Demand”) auszahlen lassen.

Ablauf der Auszahlung von Lohn- und Gehaltsvorschüssen

Dem Prinzip nach könnte der Arbeitgeber einfach eine Überweisung in entsprechender Höhe vornehmen und so den Lohnvorschuss auszahlen. In der Praxis tut er jedoch gut daran, einen einheitlichen Prozess zu schaffen, um eine fristgerechte Rückzahlung sicherzustellen und Streitigkeiten vorzubeugen. So kann er vorgehen:

  1. Schaffung einer Richtlinie
    Um eine faire Behandlung aller Arbeitnehmer und die Einhaltung der Rückzahlungsvereinbarungen sicherzustellen, sollte der Arbeitgeber eine interne Richtlinie zur Gewährung von Lohn- und Gehaltsvorschüssen erstellen.
  2. Schriftlicher Antrag auf Lohnvorschuss
    Herzstück des Verfahrens ist ein schriftlicher Antrag. Dieser sollte, wie alle weiteren Vereinbarungen, in der Personalverwaltung ordnungsgemäß abgelegt und aufbewahrt werden – am besten in der digitalen Personalakte.
  3. Genehmigung
    Sprechen keine Gründe dagegen, kann der Arbeitgeber den Antrag auf Gehaltsvorschuss genehmigen. Die Vereinbarung sollte schriftlich niedergelegt und von beiden Parteien unterschrieben werden.
  4. Auszahlung des Vorschusses
    Es spielt keine Rolle, welche Zahlmethode der Arbeitgeber für die Auszahlung verwendet. Wichtig ist jedoch, dass der Zahlbetrag als Gehaltsvorschuss gekennzeichnet wird, bei einer Überweisung beispielsweise mit einem entsprechenden Betreff. Der Arbeitgeber sollte sich zu Beweiszwecken vom Arbeitnehmer den Erhalt bestätigen lassen.
  5. Verbuchung des Vorschusses
    Lohn- und Gehaltsvorschüsse müssen grundsätzlich getrennt von der regulären monatlichen Entgeltabrechnung verbucht werden.
  6. Rückzahlung
    Die Rückzahlung eines Gehaltsvorschusses folgt im Regelfall einem vorab vereinbarten Rückzahlungsplan. Der Betrag wird dabei meist mit einer oder mehreren folgenden Gehaltszahlungen verrechnet.

Gehaltsvorschuss: Welche Vor- und Nachteile gibt es?

Bei der Entscheidung für oder gegen das Angebot von Lohn- und Gehaltsvorschüssen sollten Arbeitgeber die Vorteile und Nachteile von Lohnvorauszahlungen berücksichtigen:

VorteileNachteile

  • Bereicherung für eine breit aufgestellte Vergütungsstrategie
  • Gefühl der Wertschätzung für die Mitarbeiter
  • Positive Auswirkungen auf die Mitarbeiterzufriedenheit, die Motivation und die Produktivität
  • Positiver Einfluss auf die Fluktuationsrate
  • Förderung der psychischen Gesundheit durch Wegfall des finanziellen Drucks

  • Mögliche Probleme bei Rückzahlungen (Verspätung oder Zahlungsausfall)
  • Negative Auswirkungen auf die Liquidität des Unternehmens
  • Erhöhter Aufwand für die Verwaltung von Vorschüssen und die Ausarbeitung von Vorschuss-Richtlinien
  • Compliance-technische Bewertung von Vorschüssen erforderlich


 
Ein Gehaltsvorschuss kann ein finanzielles Risiko für den Arbeitgeber bedeuten. Kündigt ein Mitarbeiter direkt nach Erhalt der Zahlung fristlos oder taucht einfach nicht mehr zur Arbeit auf, ist die Abwicklung der Rückzahlung gefährdet. Hier ist es wichtig, in den im Vorfeld aufzustellenden Richtlinien auch den Umgang mit Problemen bei der Rückzahlung zu regeln.

Was gehört in eine Richtlinie zur Behandlung von Lohn- und Gehaltsvorschüssen?

Die Richtlinie dient dazu, einen sicheren Rechtsrahmen für Lohnvorschüsse zu bilden und den Ablauf zu definieren. Diese Inhalte sollte eine entsprechende Vereinbarung umfassen:

  • Voraussetzungen: Welche Bedingungen müssen anspruchsberechtigte Arbeitnehmer erfüllen? Die Betriebszugehörigkeit kann hier ebenso wie die abgeschlossene Probezeit oder eine erreichte Gehaltsstufe ausschlaggebend sein.
  • Höhe des Vorschusses: Hier ist zu definieren, bis zu welcher maximalen Höhe Vorschüsse möglich sind (z. B. bis zu einem Monatsentgelt).
  • Rückzahlung: Für die Rückzahlung sollten klare Vorgaben gelten. Zu regeln ist etwa, mit welchen Gehaltszahlungen verrechnet wird und inwiefern der Beschäftigte Zinsen zahlen muss.
  • Häufigkeit: Arbeitgeber sollten eine Grenze für die Inanspruchnahme von Lohn- und Gehaltsvorschüssen ziehen, beispielsweise auf einmal im Jahr. So beugen sie Missbrauch vor.
  • Ablauf der Antragstellung: Die Richtlinien sollten definieren, wie Mitarbeiter ihren Vorschuss richtig beantragen.

Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Vorschuss?

Sofern es diesbezüglich keine Regelungen im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag gibt, haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses. Der Arbeitgeber kann allerdings im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer finanziell unter die Arme zu greifen.

Fällt für eine Abschlagszahlung Lohnsteuer an?

Der Arbeitgeber muss keine Lohnsteuer einbehalten, wenn der Abrechnungszeitraum fünf Wochen nicht überschreitet. Außerdem muss spätestens drei Wochen nach diesem Zeitraum die eigentliche Lohnabrechnung erfolgen, in der die realistische Lohnsteuer berechnet wird.

Müssen für einen Vorschuss Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden?

In der Sozialversicherung gilt das Entstehungsprinzip. Die Beiträge werden daher nicht bei Auszahlung des Vorschusses fällig, sondern erst, wenn die ihnen gegenüberstehende Leistung erbracht wurde.

Dürfen Lohn- und Gehaltsvorschüsse unbegrenzt verrechnet werden?

Arbeitgeber müssen bei der Verrechnung des Gehaltsvorschusses bei der nächsten Abrechnung keine Grenzen beachten. Insbesondere müssen sie die Pfändungsfreigrenzen nicht einhalten.

Wie ist zu verrechnen, wenn eine Lohnpfändung eingeht?

Wird dem Arbeitgeber für den betreffenden Mitarbeiter eine Lohnpfändung zugestellt, stellt sich die Frage, von welchem Betrag die Pfändung befriedigt werden muss. Der Arbeitgeber darf zunächst den pfändungsfreien Teil des Lohns mit seinem Vorschuss verrechnen.

Was passiert mit einem Vorschuss bei einer Kündigung des Arbeitnehmers?

Falls der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet, noch ehe der Vorschuss voll verrechnet werden kann, muss er die gewährte Abschlagszahlung dennoch zurückzahlen.

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Sabine Hutter
Autorin dieses Beitrags
Sabine Hutter ist freie Texterin aus dem bayerischen Waidhofen. Die Betriebswirtin und ehemalige Personalreferentin schreibt in diesem Blog Beiträge zu HR-Themen.
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