Unterjährige Gehaltserhöhung und Kurzarbeit - so stellen Arbeitgeber das Jahresarbeitsentgelt korrekt fest.

Unterjährige Gehaltserhöhung, Kurzarbeit: Wie Sie das Jahresarbeitsentgelt ermitteln

 
Das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt (JAE) ist ausschlaggebend für die Entscheidung, ob für Beschäftigte Ver­siche­rungs­pflicht oder -freiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht. Arbeitgeber müssen das JAE daher im Blick behalten. Dieser Beitrag erläutert, woraus sich das Jahresarbeitsentgelt zusammensetzt und wie sich Entgeltveränderungen, etwa durch eine unterjährige Gehaltserhöhung oder Kurzarbeit, auswirken.

Verdient ein Arbeitnehmer Monat für Monat das gleiche Gehalt, lässt sich das Jahresarbeitsentgelt einfach prüfen und feststellen. Etwas schwieriger gestaltet sich die Situation jedoch, wenn besondere Umstände wie eine unterjährige Gehaltserhöhung oder Kurzarbeit hinzukommen.

Warum müssen Arbeitgeber das Jahresarbeitsentgelt feststellen?

Das Jahresarbeitsentgelt ist die entscheidende Bezugsgröße für die Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist. Überschreitet das regelmäßige Einkommen eines Beschäftigten die Jahresarbeitsentgeltgrenze, so endet die Versicherungspflicht. In der Folge kann der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob er freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert bleiben oder in eine private Krankenversicherung wechseln möchte.
 

Jahresarbeitsentgelt: Als Jahresarbeitsentgelt (JAE) bezeichnet man das regelmäßige Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers, hochgerechnet auf ein ganzes Kalenderjahr.

Jahresarbeitsentgeltgrenze: Die JAE-Grenze definiert eine Schwelle, deren Überschreiten für Arbeitnehmer das Ende der Versicherungspflicht bedeutet. Sie liegt im Jahr 2022 bei 64.350 Euro und wird jährlich neu festgesetzt. Ist das Jahresarbeitsentgelt höher als die Jahresarbeitsentgeltgrenze, tritt mit dem nächsten Kalenderjahr Versicherungsfreiheit ein.

Aus welchen Bestandteilen setzt sich das JAE zusammen?

Bestandteile des Jahresarbeitsentgelts sind alle Arten von Einnahmen, die der Arbeitnehmer regelmäßig erhält und die im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IV als Arbeitsentgelt zählen. Davon ausgenommen sind bestimmte Entgeltbestandteile, die steuerfrei ausgezahlt werden (s. folgende Übersicht).

Bestandteil des JAENicht Bestandteil des JAE

  • Einkünfte aus mehreren Beschäftigungen
  • Feste, pauschale Abgeltung von Überstunden
  • Sachbezüge, soweit sie regelmäßig geleistet werden und nicht steuerfrei sind
  • Zuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen
  • Regelmäßig geleistete Einmalzahlungen (mind. einmal pro Jahr, z. B. Weihnachts-/Urlaubsgeld)

  • Einkommen aus einem ersten Minijob
  • Einkünfte, die nicht mit der aktuellen Tätigkeit zusammenhängen (z. B. Renten, Mieten, Unterhaltsleistungen)
  • Überstundenvergütungen
  • Variable Entgeltbestandteile
  • Heirats- und Geburtsbeihilfen
  • Urlaubsabgeltungen für nicht genommenen Urlaub
  • Belegschaftsrabatte

Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält ein monatliches Bruttoentgelt von 5.250 Euro, eine monatliche Überstundenpauschale von 300 Euro, im November ein halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld, und hat monatlich 1.000 Euro Mieteinkünfte. Um das Jahresarbeitsentgelt zu ermitteln, rechnet der Arbeitgeber folgendermaßen:

JAE = (5.250 Euro + 300 Euro) x 12 + 2.625 Euro = 69.225 Euro

Die Mieteinkünfte zählen nicht in das Jahresarbeitsentgelt hinein. Es überschreitet die Jahresarbeitsentgeltgrenze von 64.350 Euro. Ist dies auch im kommenden Jahr der Fall, besteht ab dem nächsten Jahr Versicherungsfreiheit.

Bei einem schwankenden Monatsgehalt, etwa bei der Arbeit auf Stundenlohnbasis, muss ein durchschnittliches Jahresarbeitsentgelt berechnet werden.

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Was ist eine vorausschauende Betrachtung des Jahresarbeitsentgelts?

Für die Bewertung des Jahresarbeitsentgelts ist nicht die aktuelle Gehaltssituation ausschlaggebend. Vielmehr geht es darum, das künftige Entgelt in den kommenden zwölf Monaten vorausschauend zu betrachten. Dabei bezieht man das aktuelle Einkommen sowie die Entwicklungen der folgenden zwölf Monate ein, die bei einem normalen Verlauf zu erwarten sind.

Beispiel: Der Arbeitnehmer verdient vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2022 monatlich 5.200 Euro. Ab dem 1. Juli wird er eine feste Gehaltserhöhung auf 5.700 Euro erhalten. Hochgerechnet ergibt sich ein Jahresarbeitsentgelt von 65.400 Euro, das die Jahresentgeltgrenze überschreitet. Ist es auch höher als die Jahresentgeltgrenze für das Jahr 2023, ist der Arbeitnehmer ab 2023 versicherungsfrei.

Wichtig: Arbeitgeber dürfen in die vorausschauende Betrachtung nur Erhöhungen einbeziehen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Eine vielleicht kommende Erhöhung infolge einer noch zu verhandelnden Tariferhöhung etwa ist in diesem Zusammenhang nicht sicher genug.

Wann müssen Arbeitgeber das jährliche Entgelt ihrer Beschäftigten feststellen?

Im Verlauf eines Arbeitsverhältnisses gibt es mehrere Zeitpunkte, zu denen das Jahresarbeitsentgelt festgestellt werden muss:

  • Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses: Erhält der Beschäftigte bereits von Beginn an ein Entgelt, das hochgerechnet auf ein Kalenderjahr die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt, tritt sofort Versicherungsfreiheit ein. Die Verhältnisse des vorherigen Beschäftigungsverhältnisses sind dabei unerheblich.
    Beispiel: Der Arbeitnehmer erhält ein Monatsentgelt von 6.000 Euro (72.000 Euro jährlich). Bei seiner vorherigen Anstellung war er versicherungspflichtig. Er wird dennoch bei seiner neuen Festanstellung sofort als versicherungsfrei eingestuft.
  • Zum Jahresende: Während eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses wird das JAE jeweils zum Jahresende für das nächste Jahr neu beurteilt. Wird das Einkommen des Arbeitnehmers im kommenden Jahr die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigen, endet die Versicherungspflicht für das nächste Kalenderjahr. Diese Entscheidung beeinflusst jedoch die Behandlung des aktuellen Beschäftigungsjahrs nicht.
  • Dauerhafte Entgeltveränderungen: Werden während des Jahres Entgeltveränderungen vorgenommen, die dauerhaft bestehen werden (z. B. Erhöhung des Grundlohns), kann die Situation neu beurteilt werden. Auch hier gilt jedoch: Eine unterjährige Gehaltserhöhung kann sich erst ab dem folgenden Jahr bemerkbar machen.

Automatisierungspotenzial nutzen

Die Prüfung der Jahresarbeitsentgeltgrenze lässt sich mithilfe von Personalsoftware erheblich vereinfachen. Die Software rechnet das Entgelt auf Grundlage des aktuellen Entgelts sowie kommender Erhöhungen auf ein ganzes Jahr hoch und erleichtert dadurch die zutreffende Bewertung des Jahresentgelts. Entsprechende Auswertungen unterstützen die Personalabteilung dabei, die betroffenen Mitarbeiter mit minimalem Aufwand über bevorstehende Veränderungen in der Versicherungspflicht zu informieren.


 

Wie wirkt sich eine unterjährige Gehaltserhöhung auf das Jahresentgelt aus?

Bleibt ein Arbeitnehmer mit seinem Jahresarbeitsentgelt knapp unter der JAE-Grenze, so wirkt sich eine unterjährige Gehaltserhöhung nicht auf die Bewertung aus.

Beispiel: Bei der turnusmäßigen Überprüfung des Jahresarbeitsentgelts eines Beschäftigten zum Jahresende 2021 ergibt für das Jahr 2022 ein hochgerechnetes Jahresarbeitsentgelt von 64.000 Euro. Die Versicherungspflicht bleibt bestehen.

Zum 1. April 2022 erhält der Beschäftigte eine unterjährige Gehaltserhöhung in Höhe von 250 Euro, sodass sich das Jahresarbeitsentgelt um 9 x 250 Euro = 2.250 Euro auf insgesamt 66.250 Euro erhöht. Er bleibt dennoch im Jahr 2022 versicherungspflichtig, da sich die Überschreitung erst ab 2023 auswirken kann – vorausgesetzt, die dann geltende Jahresentgeltgrenze wird ebenfalls überschritten.

Hinweis: Auch eine Entgelterhöhung zum 1. Januar 2022, die erstmals dazu führt, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird, gilt als unterjährig und kann sich somit erst ab 2023 auf die Versicherungspflicht auswirken.

Kann die Versicherungsfreiheit durch Kurzarbeit entfallen?

Arbeiten besserverdienende Arbeitnehmer in Kurzarbeit, senkt dies ihr Jahresarbeitsentgelt.

Beispiel: Eine Mitarbeiterin erhält ein Jahresarbeitsentgelt von 75.000 Euro (6.250 Euro pro Monat). Im Jahr 2022 arbeitet sie drei Monate in Kurzarbeit, wodurch sich ihr Einkommen auf 56.250 Euro reduziert. Damit unterschreitet sie die Jahresarbeitsentgeltgrenze. Trotz dieser Unterschreitung bleibt der Versicherungsstatus unverändert.

Da es sich nicht um eine dauerhafte Entgeltminderung handelt, sondern diese nur vorübergehender Natur ist, bleibt die Versicherungsfreiheit bei Kurzarbeit auch bei einer Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze bestehen. Dies gilt selbst dann, wenn die maximale Dauer der Kurzarbeit von 24 Monaten ausgereizt wird. Voraussetzung ist lediglich, dass sich das Arbeitsentgelt nach dem Ende der Kurzarbeit weiterhin über der Jahresentgeltgrenze bewegen wird.
 
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