Pflegereform 2023: Neue Beitragsberechnung zur Pflegeversicherung

Pflegereform 2023: Wie Sie die neue Beitragsberechnung in der Pflegeversicherung meistern

 
Arbeitgeber müssen bei der Berechnung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung (PV) künftig die Anzahl der Kinder berücksichtigen. Dies gilt nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG) grundsätzlich ab dem 1. Juli 2023. Um beim Lohnsteuerabzug Unsicherheiten aufgrund fehlender Nachweise auf Arbeitgeberseite zu vermeiden, bleiben die Abschläge jedoch laut Finanzverwaltung in der zweiten Jahreshälfte 2023 noch unberücksichtigt. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Informationen zusammen.

Da ist man sich in der Bundesregierung einmal einig: In der Pflege muss sich einiges ändern. Und so hat das Bundeskabinett die umfangreiche Pflegereform 2023 auf den Weg gebracht. Mit an Bord der Pflegereform ist etwa eine Erhöhung des Pflegegelds und der ambulanten Sachleistungsbeträge, eine Ausweitung des Pflegeunterstützungsgelds und eine Erhöhung der gezahlten Zuschläge für die Unterbringung von Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Ein Thema, das auf Arbeitgeberseite für einen gewissen Mehraufwand sorgen wird, ist das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) – dieses sieht nämlich einen gestaffelten Beitragssatz zur Pflegeversicherung in Abhängigkeit von der Kinderzahl vor.

Worum geht es beim Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz?

Notwendig wurde das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 (Az. 1 BvL 3718). Die Richter sehen in der bisherigen  PV-Beitragsberechnung eine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung von Eltern mit mehreren Kindern. Sie fordern daher eine Berücksichtigung der Kinderzahl in den Beiträgen zur Pflegeversicherung. In der Folge hat die Bundesregierung einen Entwurf des Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes verabschiedet.

Im Kern soll die Beitragsberechnung nach der Pflegereform 2023 künftig folgendermaßen ablaufen:

  • Der Beitragssatz für die gesetzliche Pflegeversicherung steigt von 3,05 auf 3,40 Prozent.
  • Der Arbeitgeberanteil beträgt immer 1,7 Prozent.
  • Kinderlose Beschäftigte ab 23 Jahren zahlen wie bisher einen Zuschlag. Dieser steigt von 0,35 auf 0,60 Prozent. Ab dem 1. Juli 2023 beträgt der Beitragssatz für gesetzlich Versicherte ohne Kinder somit 2,30 Prozent (Arbeitnehmeranteil).
  • Haben Beschäftigte ein Kind, entfällt der Zusatzbeitrag – ihr Beitragssatz beträgt somit 1,70 Prozent. Haben sie mehr als ein Kind, sinkt der PV-Beitragssatz pro Kind um 0,25 Prozentpunkte. Ab dem fünften Kind wird der Beitragssatz gedeckelt. Die Ermäßigung kann also insgesamt höchstens 1 Prozent betragen. Der niedrigste mögliche PV-Beitragssatz beträgt somit bei fünf oder mehr Kindern 0,7 Prozent. Die Abschläge ab dem zweiten bis zum fünften Kind werden jedoch nur so lange gewährt, bis diese Kinder das 25. Lebensjahr vollendet haben.

Tabelle: PV-Beitragssätze nach dem PUEG

Anzahl der KinderArbeitnehmeranteilArbeitgeberanteil
02,30 Prozent1,70 Prozent
11,70 Prozent1,70 Prozent
21,45 Prozent1,70 Prozent
31,20 Prozent1,70 Prozent
40,95 Prozent1,70 Prozent
ab dem 5. Kind0,70 Prozent1,70 Prozent

Erläuterung zur Tabelle: Die lohnsteuerrechtliche Elterneigenschaft bleibt unabhängig vom Lebensalter der Kinder bestehen. Arbeitnehmer mit einem oder mehr Kindern zahlen somit auch nach der Vollendung des 25. Lebenjahres aller Kinder den ermäßigten PV-Beitragssatz von 1,70 Prozent (Arbeitnehmeranteil).

Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit der Berücksichtigung der Kinderzahl?

Zunächst einmal müssen die Vorgaben aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Zugleich erreicht die Bundesregierung mit der Pflegereform 2023 eine gezielte Entlastung von Eltern mit mehreren Kindern. Diese zahlen künftig spürbar geringere Beiträge zur Pflegeversicherung. Gleichzeitig zahlen infolge der Beitragserhöhung jene Beschäftigten mehr in die Pflegekasse ein, die keine Kinder haben und somit nicht dazu beitragen, den Generationenvertrag zu stärken.

Übersichtliche Aufbewahrung von Personalunterlagen mit der digitalen Personalakte

Auswirkungen der Pflegereform 2023 auf die Arbeitgeber

Auf die Arbeitgeber kommt durch die Neuregelung der PV-Beitragsberechnung beträchtlicher Mehraufwand zu. Zum einen müssen sie die erforderlichen Nachweise der Elterneigenschaft ihrer Beschäftigten einholen und führen. Zum anderen müssen sie die entsprechenden Abschläge in der Entgeltabrechnung umsetzen.

Nachweis über die Anzahl der Kinder

Bislang orientieren sich viele Arbeitgeber bei der Ermittlung der Elterneigenschaft an der Eintragung von Kinderfreibeträgen in den ELStAM-Merkmalen. Dies reicht jedoch künftig nicht mehr aus, weil die Anzahl der Kinder von Beschäftigten daraus nicht sicher abgelesen werden kann. Deshalb sind Arbeitgeber verpflichtet, sich von den Arbeitnehmern entsprechende Nachweise vorlegen zu lassen. Dabei gelten folgende Regeln:

  • Die Geburtsurkunden der zu berücksichtigenden Kinder müssen von dem Beschäftigten im Original vorgelegt werden. Der Arbeitgeber nimmt eine Kopie zur Personalakte des Angestellten. Aller Voraussicht nach wird dies auch für Adoptivkinder gelten.
  • Legen ausländische Angestellte Geburtsurkunden in einer anderen Sprache vor, müssen diese beglaubigt übersetzt werden.
  • Nur für Kinder, zu denen der Nachweis vorliegt, darf der Abschlag in den PV-Beiträgen berücksichtigt werden.

Tipp: Die Pflegereform 2023 bedeutet für Arbeitgeber mehr Papier, das sie künftig aufbewahren müssen. Mehr denn je lohnt sich daher die Investition in eine digitale Personalakte. Die vorgelegten Nachweise zur Kinderzahl können direkt digitalisiert und dem betreffenden Mitarbeiter zugeordnet werden. Bei einer Prüfung sind die Nachweise jederzeit abrufbar.

Umsetzung in der Entgeltabrechnung

Bislang müssen Arbeitgeber lediglich die Elternschaft an sich prüfen. Hierzu konnte in der Lohnsoftware ein Kennzeichen gesetzt werden. Dieses entscheidet darüber, ob der Zusatzbeitrag gezahlt werden muss oder nicht. Dieses Kennzeichen an sich würde zwar für die Entscheidung über die Frage “Beitragszuschlag ja oder nein” auch künftig noch reichen. Für die Berechnung der Abschläge ab dem zweiten bis zum fünften Kind muss die Lohnanwendung künftig aber auch eine Altersprüfung zu jedem erfassten Kind durchführen. Der Abschlag darf nämlich nur so lange abgezogen werden, bis die betreffenden Kinder das 25. Lebensjahr vollendet haben. Danach entfällt er.

WICHTIG: Laut dem vorliegenden Entwurf eines BMF-Schreibens der Finanzverwaltung bleibt der Abschlag in der Pflegeversicherung ab dem zweiten bis zum fünften Kind beim Lohnsteuerabzug in der zweiten Jahreshälfte 2023 noch unberücksichtigt. Dies soll Unsicherheiten bei der Berechnung bzw. Ermittlung der Lohnsteuer vermeiden, wenn den Arbeitgebern kurzfristig noch keine Informationen zu den in der Pflegeversicherung zu berücksichtigenden Kindern vorliegen.

Während die Softwarehersteller die neu erforderlichen Funktionen umsetzen, müssen auch die Arbeitgeber aktiv werden. Neben der Anforderung der Geburtsurkunden müssen sie sicherstellen, dass zu jedem Beschäftigten die Anzahl der Kinder und deren Geburtsdatum bis spätestens Ende 2023 korrekt im Lohnprogramm erfasst wird. Legen Arbeitnehmer die erforderlichen Nachweise nicht vor, sind sie im Zweifelsfall mit dem höheren Beitragssatz abzurechnen.

Kommt frühestens ab 2025: Erleichterung für Arbeitgeber durch zentrale Nachweisführung

Die Bundesregierung hat angekündigt, dass künftig eine zentrale Stelle die Nachweisführung über die Anzahl und das Geburtsdatum der Kinder übernehmen soll. Dies könnte den Aufwand für Arbeitgeber sowie für Beschäftigte mit mehreren Jobs erheblich senken. Allerdings steht gegenwärtig noch nicht fest, welche Stelle diese Daten frühestens ab 2025 maschinell bereitstellen wird. Arbeitgeber sind deshalb gut beraten, sich jetzt mit der Problematik auseinanderzusetzen und selbst Lösungen für die Nachweisführung zu finden.
 

Sabine Hutter
Autorin dieses Beitrags
Sabine Hutter ist freie Texterin aus dem bayerischen Waidhofen. Die Betriebswirtin und ehemalige Personalreferentin schreibt in diesem Blog Beiträge zu HR-Themen.
[gekonnt-gesagt.de]

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