GoBD und IT

“Die GoBD schaffen mehr Klarheit für Unternehmen” [Interview]

Die Buchführung in vielen kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland entspricht bislang nicht den Vorgaben der GoBD. Stefan Groß, Steuerberater und CISA, erläutert im Interview die Anforderungen und den Nutzen der GoBD für Firmen.

 

Mancher Unternehmer empfindet die “Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff” (GoBD) mit ihren Anforderungen an die Unternehmens-IT und die internen Prozesse als eine zusätzliche bürokratische Hürde. Ist dies gerechtfertigt?

 

Stefan Groß: Zunächst einmal: Die GoBD sind keine isolierte Sichtweise der Finanzverwaltung. Sie erfinden auch nicht das Rad neu, sondern geben hauptsächlich die bestehende Rechtslage wieder. Die wesentlichen Vorgaben gelten schon seit dem Inkrafttreten der Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) Ende 1995 sowie der Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) im Jahr 2002.

Mit den GoBD hat die Finanzverwaltung die bestehenden Regelungen zusammengefasst und logisch fortentwickelt, etwa im Hinblick auf Sonderthemen wie den Umgang mit elektronischen Rechnungen. Dadurch rücken Anforderungen in den Fokus, die sich bislang nicht immer in der unternehmerischen Wahrnehmung befanden, die aber jedes Unternehmen ohnehin beachten sollte, wie zum Beispiel interne Kontrollen, Verfahrensdokumentationen oder die Unveränderbarkeit von archivierten Daten.

Stefan Groß
Stefan Groß ist als Steuerberater und Certified Information Systems Auditor (CISA) tätig. Der Diplom-Kaufmann verfügt über umfangreiche Expertise und Projekterfahrung an der Schnittstelle zwischen Steuerrecht und IT. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Themen GoBD und E-Invoicing. Er ist unter anderem Mitverfasser des Leitfadens “Die GoBD in der Praxis”. Stefan Groß ist Partner der Kanzlei Peters, Schönberger & Partner in München.

 

Über die Praktikabilität mancher Regelung der GoBD lässt sich durchaus streiten. Ein Beispiel hierfür ist die Vorgabe, dass Unternehmen die maschinelle Auswertbarkeit steuerrelevanter Daten bis zu zehn Jahre gewährleisten müssen und zwar unabhängig von Veränderungen im Hard- oder Softwareumfeld. Große neue bürokratische Hürden sehe ich jedoch nicht. Allerdings nehmen die GoBD mehr noch als bisher die IT-gestützten Prozesse in Unternehmen in den Blick – und das verlangt Unternehmensverantwortlichen ab, die internen Abläufe zu prüfen und erforderlichenfalls anzupassen.

 

Welche zentralen Anforderungen lassen sich in der Gesamtschau der GoBD erkennen?

 

Stefan Groß: Die GoBD stellen letztlich vier Kern-Anforderungen an die Ausgestaltung der Unternehmens-IT und der damit einhergehenden Prozesse: Erstens muss ein entsprechendes Kontroll- und Protokollumfeld vorhanden sein. Zweitens müssen die entsprechenden Geschäftsprozesse dokumentiert sein. Drittens ist die Integrität von Stammdaten, Bewegungsdaten und Metadaten zu gewährleisten. Und viertens muss dies alles für die Dauer der Aufbewahrungsfrist migrationsbeständig, also unabhängig von jeglichen Veränderungen der Fachprozesse und der IT-Technik, gegeben sein. Diese vier zentralen Vorgaben durchziehen die GoBD wie ein roter Faden. Und auch wenn sie für sich genommen kein Novum sind, so stellen sie in der Kombination gerade für kleine und mittlere Unternehmen doch eine Herausforderung dar.

 

“Der Trend geht dahin, dass Betriebsprüfer in den Unternehmen standardmäßig eine Verfahrensdokumentation verlangen.”

 

Der Finanzverwaltung profitiert bei der Umsetzung der GoBD von präzisen Einblicken in die Besteuerungsgrundlage der Unternehmen. Welche Vorteile ergeben sich aus dem Regelwerk eigentlich für die Steuerpflichtigen?

 

Stefan Groß: Die GoBD passen die steuerrechtlichen Anforderungen in puncto ordnungsmäßige Buchführung und Aufbewahrung der digitalen Realität an. Dabei schaffen sie an verschiedenen Stellen mehr Klarheit und Rechtssicherheit für die Unternehmen. Beispielsweise werden elektronische Rechnungen und Papierrechnungen nun steuerlich gleichbehandelt. Vorteile ergeben sich dabei etwa daraus, dass Papierbelege gescannt und unter bestimmten Voraussetzungen vernichtet werden dürfen. Das eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, ihre alten Papierarchive ad acta zu legen und sich ganz auf die deutlich effizientere digitale Archivierung zu konzentrieren. Eine erwünschte Nebenwirkung der GoBD ist sicherlich, dass die Unternehmen sich Gedanken über ihre IT-gestützten Prozesse machen und diese entsprechend systematisieren.

 

Welche Rolle spielt die geforderte Verfahrensdokumentation bei der Umsetzung GoBD-konformer Prozesse?

 

Stefan Groß: Richtigerweise machen die GoBD in Anbetracht der kurzen IT-Halbwertszeiten keine technischen Vorgaben, sondern bleiben technikneutral. Was das Regelwerk hingegen explizit vorschreibt, ist eine Verfahrensdokumentation im Unternehmen. Diese spielt eine zentrale Rolle als Bestandteil des internen Kontrollsystems. Inhaltlich beschreibt sie die tatsächlich eingesetzte IT-Lösung einschließlich der Prozesse, Organisation und Nutzung – und zwar sowohl die aktuellen als auch die historischen Verfahrensinhalte für die Dauer der Aufbewahrungsfrist. In der Vergangenheit fragten die Finanzbehörden bei Außenprüfungen eher selten danach. Dies ändert sich zurzeit. Der Trend geht dahin, dass Betriebsprüfer in den Unternehmen standardmäßig eine Verfahrensdokumentation verlangen.

Fehlt die Verfahrensdokumentation, kann dies zu Nachteilen für den Steuerpflichtigen führen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Buchhaltung hat sich bei der Umsatzsteuer vertan und korrigiert die bereits übermittelte Umsatzsteuervoranmeldung nachträglich. Lässt sich später bei einer Betriebsprüfung mangels fehlender oder unzureichender Dokumentation nicht nachweisen, dass hier alles seine Richtigkeit hat, letztlich ein wirksames internes Kontrollsystem für Steuern eingerichtet war, wird aus einer einfachen Korrektur schnell der Verdacht einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Eine lückenlose und aussagefähige Verfahrensdokumentation kann sich hier zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken und hilft ihm, den Vorwurf des Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit zu entkräften.

Eine solche Dokumentation zu erstellen kann je nach der Komplexität des eingesetzten IT-Systems recht aufwendig sein und lässt sich nicht mal eben schnell erledigen. Daher empfehle ich allen Unternehmen, die hier noch Defizite haben, jetzt zu handeln und zumindest eine schlanke Verfahrensdokumentation nach den Vorgaben der GoBD zu erstellen.

 

“Man muss nicht zwingend ein elektronisches Archivsystem bzw. Dokumentenmanagementsystem einsetzen, aber in vielen Fällen dürfte das die einfachste Lösung sein.”

 

Ein zentrales Thema der GoBD ist die Aufbewahrung von steuerlich relevanten Belegen. Was empfehlen Sie Unternehmen, die noch mit Aktenordnern hantieren, also papierbasiert arbeiten?

 

Stefan Groß: Der Anteil originär elektronischer Belege am gesamten Belegaufkommen wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Beispielsweise wird es immer mehr elektronische Rechnungen geben. Deshalb empfiehlt es sich schon im Interesse einer effizienten Verarbeitung, den Dokumenteneingang und die Aufbewahrung vollständig zu digitalisieren.

Insbesondere an die Archivierung stellen die GoBD klare Anforderungen in puncto Unveränderbarkeit und Nachvollziehbarkeit. Um diese zu erfüllen, muss man nicht zwingend ein elektronisches Archivsystem bzw. Dokumentenmanagementsystem einsetzen, aber in vielen Fällen dürfte das die einfachste Lösung sein. Denn es reicht nicht aus, Dokumente rein im Dateisystem abzulegen, sondern das Unternehmen muss zusätzlich etwa Maßnahmen zum Zugriffsschutz und zur Unveränderbarkeit der Daten ergreifen und dokumentieren.

Ein Archivsystem bzw. Dokumentenmanagementsystem besitzt eigene Sicherheitsmechanismen, die die Vorgaben der GoBD unterstützen. Bei der Auswahl einer Lösung sollte darauf geachtet werden, dass diese von unabhängiger Seite geprüft wurde und den einschlägigen Standards, wie beispielsweise dem IDW RS FAIT 3, entspricht.

 

Neben originär elektronischen Belegen wird es in der Praxis weiterhin steuerlich relevante Belege in Papierform geben. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Papierdokumente nach der elektronischen Erfassung vernichtet werden?

 

Stefan Groß: Werden Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege in Papierform empfangen und danach elektronisch erfasst, also gescannt, ist das Scanergebnis so aufzubewahren, dass die Wiedergabe mit dem Original bildlich übereinstimmt, wenn es lesbar gemacht wird. Zudem muss das Scan-Verfahren in einer Organisationsanweisung dokumentiert werden, die insbesondere auch das entsprechende Kontrollumfeld beschreibt.

Nach dem Einscannen dürfen Papierdokumente grundsätzlich dann vernichtet werden, wenn keine steuerlichen oder außersteuerlichen Vorschriften dagegen sprechen. Der Steuerpflichtige muss dabei entscheiden, ob Dokumente, deren Beweiskraft bei der Aufbewahrung in ausschließlich elektronischer Form nicht erhalten bleibt, zusätzlich in Papierform aufbewahrt werden müssen. Dies betrifft zum Beispiel Notarurkunden oder Wertpapiere. In jedem Fall darf der Verzicht auf einen Papierbeleg die Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigen.

Bildquellen: fotofabrika/Fotolia.com (großes Beitragbild), Kanzlei Peters, Schönberger & Partner (Porträt)

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