Mit Schnittstellen Prozesse optimieren

Mit Schnittstellen Prozesse optimieren | Experteninterview

 
Die meisten Unternehmen nutzen ein breites Spektrum an Software und digitalen Tools. Diese verschiedenen Systeme müssen miteinander vernetzt werden, beispielsweise mithilfe von Programmierschnittstellen (API). Hier erläutern zwei Experten, wie Schnittstellen Prozesse optimieren und reibungslose digitale Geschäftsabläufe ermöglichen.

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen vor der Herausforderung, ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Zugleich sind die IT-Infrastrukturen und Software-Landschaften in den Betrieben zunehmend heterogen zusammengesetzt. Das bedeutet: Ohne eine Vernetzung der verschiedenen Systeme gibt es keine reibungslosen digitalen Abläufe. Wir haben bei zwei Spezialisten nachgefragt, wie sich in der Praxis mithilfe von Schnittstellen Prozesse optimieren und digitalisieren lassen. Lesen Sie hier das Interview mit Daniel Peters und Christian Sachse.

Sie erstellen bzw. implementieren Schnittstellen für mittelständische Unternehmen. Was leisten diese Lösungen?

Daniel Peters: Im E-Commerce geht es beispielsweise darum, Shopsysteme und Marktplätze mit ERP-Software zu verbinden. Weitere Schwerpunkte sind die Anbindung von Paketdiensten und Speditionen ans ERP-System sowie der Zahlungsabgleich zwischen Buchhaltung und Payment-Dienstleistern wie PayPal. Dabei nutzen wir meist die Programmierschnittstellen (APIs) der zu verbindenden Systeme. So entstehen integrierte Verbindungen, die ohne langsame und teils manuelle Datentransfers auskommen. Dies macht die Prozesse nicht nur schneller, sondern auch sicherer, weil es keine Erfassungsfehler mehr gibt.
 

Daniel Peters
Daniel Peters ist selbstständiger Softwareentwickler in Hamburg. Er ist spezialisiert auf E-Commerce-Schnittstellen und entwickelt Software zum Verbinden von Warenwirtschaftssystemen mit Onlineshops und Marktplätzen.

 
Christian Sachse: Auch bei unseren Projekten zur Prozessautomatisierung und -optimierung sind APIs unverzichtbar. Wir nutzen sie, um den Kunden eine Fernsteuerung ihrer Standardsysteme für Auftragsbearbeitung, Finanzbuchhaltung oder Dokumentenmanagement über individuelle Zusatzlösungen zu ermöglichen. Dabei werden zum Beispiel einfache und wiederkehrende Tätigkeiten von einem Programm übernommen, das die Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit unterstützt. Fakt ist: Ohne Schnittstellen gäbe es keinen digitalen Prozess.

Christian Sachse
Christian Sachse ist Geschäftsführer der xtero GmbH. Sein Unternehmen unterstützt Mittelständler bei der Prozessdigitalisierung in den Bereichen Warenwirtschaft, Auftragsbearbeitung, Finanzbuchhaltung, Dokumentenmanagement und Kontaktmanagement.

Ist es denn mit einer Schnittstelle bereits getan oder braucht es für eine Verknüpfung der Prozesse und Programme mehr?

Daniel Peters: Der Begriff Schnittstelle suggeriert eine vollständige Verbindung zwischen zwei Systemen. Das ist aber nicht automatisch der Fall. Wenn eine Programmierschnittstelle (API) oder eine Dateischnittstelle vorhanden ist, heißt das zunächst bloß, dass eine Seite, etwa der Onlineshop, kommunikationsbereit ist. Für eine Verbindung zwischen zwei Systemen ist jedoch eine Gegenstelle notwendig, die die Daten verarbeiten kann.

Man braucht also eine Art Mittler zwischen den Systemen?

Daniel Peters: Richtig. Wir sprechen hier von Middleware. Das ist eine Software, die zwischen zwei oder mehreren Systemen “vermittelt”. Damit zum Beispiel die Verbindung zwischen einem Onlineshop und einer ERP-Software gelingt, benötigen beide Systeme technische Anknüpfungspunkte, sprich: Programmierschnittstellen, mit denen die Kommunikation nach außen erst möglich wird. Moderne Systeme bringen diese APIs gleich mit. Ältere Systeme bieten häufig nur Dateischnittstellen und/oder Datenbankschnittstellen an. Diese eignen sich zwar ebenfalls, die Verbindung ist dann aber nicht so performant und tief integriert wie bei der Verwendung von APIs.

Was bekommen die Anwender von der Middleware mit?

Daniel Peters: Im besten Fall: nichts. Die Datentransfers – wie das Auslesen von Bestellungen aus einem Shop oder der Belegimport ins ERP-System – laufen im Hintergrund ab.
 

“Mithilfe von APIs lassen sich viele Geschäftsprozesse automatisieren und dadurch schneller und sicherer machen.”

 

Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es für APIs darüber hinaus?

Christian Sachse: Abgesehen von der Verbindung verschiedener Systeme leisten APIs auch bei der teilweisen oder vollständigen Automatisierung betrieblicher Prozesse wichtige Dienste, zum Beispiel in der Warenwirtschaft.

Wie sieht das konkret aus?

Christian Sachse: Die Szenarien reichen von der Zustandsüberwachung, beispielsweise Lagerbestand oder Bestelleingang, bis hin zur vollständigen Automatisierung von Verkaufs- und Beschaffungsprozessen. Mithilfe von APIs laufen die Prozesse oder auch Teilschritte automatisch im Hintergrund ab. Ist eine vollständige Automatisierung nicht sinnvoll, kann oft eine Eingabemaske erstellt werden, die mehrere Schritte bzw. Eingaben in der Warenwirtschaft aus einer gemeinsamen Ansicht heraus startet, überwacht und steuert.

Nehmen wir mal an, ein Unternehmen möchte mithilfe von Schnittstellen Prozesse optimieren. Wie läuft so ein Projekt üblicherweise ab?

Daniel Peters: In der Praxis hat sich ein mehrstufiges Vorgehen bewährt: Nach einer Erstberatung schätzen wir die Machbarkeit und die Kosten ein. Im nächsten Schritt präsentieren wir dem Kunden mögliche individuelle Lösungswege – kommt Standardsoftware zum Einsatz, wird eine Demoversion eingerichtet. Erteilt der Kunde daraufhin den Auftrag, beginnt die Programmierung und Implementierung der Schnittstellenlösung. Dies geschieht im Rahmen agiler Entwicklung oft in Iterationen, also in mehreren Entwicklungszyklen. Sind alle Vorgaben wunschgemäß umgesetzt, startet der Einsatz der Lösung.

Christian Sachse: Wichtig ist dabei insbesondere während der heißen Umsetzungsphase ein enger Kontakt zu den Anwendern. Kommt es später beim Einsatz der Lösungen zu Fragen oder Schwierigkeiten, lassen sich diese im Rahmen des Kundensupports lösen.
 

“Bei Schnittstellenprojekten hat es sich bewährt, alle Beteiligten früh mit an Bord zu holen und so das Vorhaben zu entmystifizieren.”

 

Stichwort: Schwierigkeiten. Welche Hürden kann es bei der praktischen Umsetzung von Schnittstellenlösungen geben?

Daniel Peters: Zuerst sind hier technische Hürden zu nennen. Als Schnittstellenanbieter muss ich mich darauf verlassen, dass die APIs der zu verbindenden Systeme korrekt und wie beschrieben arbeiten. In der Praxis gibt es jedoch immer wieder Abweichungen. Diese gilt es dann durch Workarounds zu kompensieren.

Christian Sachse: Eine weitere Schwierigkeit resultiert daraus, dass die Abläufe in den Betrieben meist über Jahre organisch gewachsen sind. Häufig wird das Prozesswissen schon in der zweiten oder dritten Generation mündlich überliefert. Dies bedeutet einen beträchtlichen Recherche- und Dokumentationsaufwand, bevor man einen optimierten digitalen Prozess konzipieren kann.

Daniel Peters: Hürden lauern auch bei der Abstimmung zwischen den Beteiligten. Wenn die Mitarbeiter bei früheren Projekten die Erfahrung gemacht haben, dass bestimmte Prozesse danach nicht mehr so gut funktionierten, kann das zu Problemen aufgrund mangelnder Akzeptanz führen.

Christian Sachse: Überhaupt spielt der Faktor Mensch eine wesentliche Rolle. Nicht selten fürchten sich die Mitarbeiter vor Veränderungen am Arbeitsplatz. Dann sind sie auch nicht bereit, mitzuwirken und Neues zu erlernen. Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen. Bewährt hat sich aber, die Beteiligten frühzeitig mit an Bord zu holen, in ihrem Tempo mitzunehmen und das Vorhaben zu entmystifizieren.

Mit welchem Aufwand müssen Unternehmen rechnen, wenn sie mithilfe von Schnittstellen Prozesse optimieren möchten?

Daniel Peters: Bei einer Standardlösung entstehen lediglich einige Stunden Integrationsaufwand. Zudem fallen Lizenzgebühren für die Software sowie Wartungs- und Servicekosten an. Diese beginnen im niedrigen vierstelligen Bereich pro Jahr. Bei individuell programmierter Software läuft ein Projekt dagegen mindestens einige Monate. Dementsprechend liegen die Umsetzungskosten im mittleren vierstelligen Bereich oder auch darüber.

Christian Sachse: Im Bereich der Prozessautomatisierung ist es kaum möglich, mit Standardsoftware zu arbeiten, da es die “eierlegende Wollmilchsau” nicht gibt. Das liegt an der Vielzahl an Schaltern, Verästelungen und Eventualitäten, die ein Prozess haben kann. Daher bleibt oft nur die Erstellung von maßgeschneiderten individuellen Lösungen. Gute Erfahrungen haben wir mit dem Einsatz von kleineren Skripten oder Programmen gemacht, die sich in der Regel auch sehr schnell amortisieren.

Mancher Unternehmer möchte zwar durch den Einsatz von Schnittstellen Prozesse optimieren, aber nicht gleich einen Dienstleister im Haus haben. Welches Vorgehen empfehlen Sie?

Christian Sachse: Um Prozesse zu automatisieren, muss man diese kennen und verstehen. Daher empfehle ich, zuerst eine Übersicht über die gesamte Prozesskette zu erstellen. Mit Papier, Lineal und Buntstiften kommt man dabei erstaunlich weit. Auf dieser Basis leitet man dann zur Detailansicht eines Prozesses oder einer Prozessstation über. Ist ein Prozess erst einmal dokumentiert, wird schnell das Automatisierungspotenzial sichtbar: Es sollte nach einfachen, wiederkehrenden und fehleranfälligen Schritten Ausschau gehalten werden. Wichtiger Tipp: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter mit ein und lassen Sie sich von ihnen automatisierbare Vorgänge nennen.

Daniel Peters: Speziell für den Bereich des E-Commerce empfehle ich, sich frühzeitig einen Überblick über bereits verfügbare Lösungen zu verschaffen und Praxisbeispiele anzusehen. Für manche Anforderungen gibt es nämlich fertige Schnittstellen, die sich schnell und günstig einsetzen lassen. Infos dazu findet man auf der Website des ERP-Herstellers sowie bei Anbietern von Schnittstellenlösungen. So bekommt man ein Gefühl dafür, ob eine umfassende Beratung überhaupt notwendig ist.

Werfen wir abschließend einen Blick auf den Markt: Welche Lösungen sind zurzeit besonders gefragt? Zeichnen sich Trends ab?

Daniel Peters: Seit zwei, drei Jahren ist eine zunehmende Nutzung von Cloud-basierten Shopsystemen zu beobachten. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Im Unterschied zu On-premises-Lösungen laufen diese Systeme auf leistungsfähigen Cloud-Servern, die auch Lastspitzen – zum Beispiel durch hohes Bestellvolumen nach einer TV-Ausstrahlung – verkraften. Auch Cloud-basierte Shops oder Marktplätze wie eBay oder Amazon lassen sich mithilfe von APIs an eine Middleware anbinden. Diese transferiert die Daten dann zur API des ERP-Systems im Unternehmen. Dateischnittstellen kommen hier nur selten zum Einsatz, zum Beispiel für den Export von Artikellisten.

Christian Sachse: Auch im Bereich der innerbetrieblichen Prozesse ist der Bedarf an Automatisierung und Vernetzung hoch, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen während der Corona-Pandemie. APIs können hier helfen, Prozesse zu beschleunigen und Kosten zu senken. Dies ermöglicht einen effektiveren Einsatz von Fachkräften.
 
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