digitale Archivierung

Digitale Archivierung ist auch für kleinere Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll

In vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist man der Auffassung, digitale Archivierung lohne sich erst für größere Betriebe. Stimmt nicht, sagt Volker Halstenbach. Der ECM-Experte räumt im Interview mit gängigen Irrtümern und Vorurteilen auf.

Was entgegnen Sie dem Chef eines mittelständischen Unternehmens mit 50 Mitarbeitern, wenn er Ihnen sagt, digitale Archivierung lohne sich für seinen Betrieb nicht?

Halstenbach: In allen Fällen empfehlen wir, zunächst eine Kosten-Nutzenschätzung vorzunehmen – unabhängig von der Größe des Unternehmens bzw. des Arbeitsbereichs, in dem digitale Archivierung betrieben werden soll. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der wirtschaftliche Nutzen sehr häufig auch für kleinere Unternehmen und Arbeitsgruppen gegeben ist, selbst wenn deutlich weniger als 50 Mitarbeiter an das System angeschlossen werden.

Für mittelständische Betriebe interessant zu wissen ist sicherlich auch, dass preisgünstige Angebote häufig funktional mit den typischerweise bei Großunternehmen anzutreffenden höherpreisigen “Enterprise”-Lösungen mithalten können bzw. deren Funktionsumfang im Standard nicht selten sogar übertreffen. Zugleich sind in mittelständischen Lösungen häufig die Architektur-, Individualisierungs- und Integrationsanforderungen geringer, was ebenfalls die Einstandskosten gegenüber der Anschaffung für Großunternehmen verringert.

Nicht zuletzt befände sich der Chef des mittelständischen Betriebes bei der Beschaffung einer elektronischen Archivlösung in bester Gesellschaft, denn gerade der Markt für kleine und mittelständische Unternehmenslösungen trägt seit Jahren deutlich zur Umsatzstärke der Hersteller von Dokumentenmanagementsystemen (DMS) bei.

 

Volker Halstenbach
Volker Halstenbach unterstützt seit 1991 Unternehmen verschiedenster Branchen und Größen bei der Gestaltung von Lösungen für Enterprise Content Management (ECM). Seit 1998 ist er Senior-Berater und Partner bei Zöller & Partner. Zu seinen aktuellen Beratungsschwerpunkten zählen die Konzeption, Auswahl und Einführung von Archiv- und Postkorblösungen, ECM-Strategieberatung sowie die Durchführung von Fachseminaren.

 

Welchen Fehleinschätzungen und Irrtümern erliegen Mittelständler beim Thema elektronische Archivierung häufig?

Halstenbach: Eine typische Fehleinschätzung ist, dass einerseits die Beschaffungskosten zu hoch und andererseits der wirtschaftliche Nutzen zu gering eingeschätzt werden. Auch erleben wir in unserer Beratung immer wieder die Vorstellung, dass sich digitale Archivierung nur in Kombination mit Workflow, also dem Scannen und Archivieren von Unterlagen bereits vor der Bearbeitung, lohne.

Unsere Erfahrung zeigt, dass sich viele DMS-Lösungen als reine Archivlösung deutlich besser rechnen als zuvor erwartet, da Suchzeiten praktisch entfallen und alle Mehrfachablagen von Unterlagen überflüssig werden.

Immer wieder werden wir überdies mit der Sorge konfrontiert, die mit der Archivierung einhergehenden organisatorischen Veränderungen wären derart massiv, sodass ohne umfangreiche Planung und vorherige Anpassung kein wirtschaftlicher Nutzen entstehen kann. Dies ist jedoch in der Regel nicht der Fall. Zwar verändert sich zwangsläufig die Arbeitsorganisation durch den DMS-Einsatz – gerade der Einstieg über reine Archivierungslösungen bietet Unternehmen jedoch die Möglichkeit, diese Änderungen schrittweise vorzunehmen und hierdurch handhabbarer zu gestalten.

Eine weitere häufig vernommene Angst besteht darin, Dokumente könnten in einem Dokumentenmanagementsystem wie in einem schwarzen Loch verschwinden und wären nie wieder auffindbar. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Durch die Verfügbarkeit sowohl technischer als auch fachlicher Suchmerkmale sind DMS-Anwender viel besser als Nutzer von Papierablagen in der Lage, ihre Dokumente sowohl geordnet abzulegen als auch selbst dann wiederzufinden, wenn die Ablage an fachlich falscher Stelle erfolgte.

Hinzu kommt die enorme Sicherungsfunktion des DMS, denn was einmal richtig abgelegt ist, kann kaum noch verschwinden – ganz im Gegensatz zur papiergebundenen Ablage.

Nun haben KMU vielfach andere Anforderungen an den Leistungsumfang unterstützender IT-Systeme als Großunternehmen. Wie sieht es in puncto digitale Archivierung aus? Welcher Funktionsumfang ist für einen mittelständischen Betrieb denn grundsätzlich sinnvoll?

Halstenbach: Während in Großunternehmen häufig die Integrationsfähigkeit von DMS-Lösungen in die Kernanwendungen von zentraler Bedeutung ist, benötigen kleine und mittlere Unternehmen eher solche DMS-Lösungen, deren Oberflächenfunktionen mit einfachen Mitteln an die spezifischen Bedürfnisse anpassbar sind. Hier ist erfreulicherweise zu beobachten, dass gerade die vielfältigen Systemangebote der kleineren Anbieter genau diesen Markt adressieren und häufig Funktionsfülle und Oberflächenflexibilität mit günstigen Beschaffungspreisen gepaart sind.

Auch die für mittelständische Anwendungen wichtigen Funktionen zur Ablage von E-Mails sowie zur Pflege von Dateien direkt aus der Office-Anwendung im DMS sind in vielen Produkten enthalten, was wichtig für ihre rege Nutzung ist.

Ein modernes DMS besticht nicht zuletzt durch seine ausgefeilten Aktenfunktionen, die helfen, besonders umfangreich dokumentierte Sachverhalte dennoch übersichtlich zu strukturieren und hierdurch effizient auffindbar und handhabbar zu machen; hierzu gehören für viele Anwender leistungsstarke Dokumentenanzeigefunktionen, die in der Lage sind, Dokumente unterschiedlichster Herkunft und Formate einheitlich anzuzeigen.

Wenn sich ein Unternehmen für digitale Archivierung entschieden hat: Wie geht es bei der Einführung eines Systems am besten vor? 

Halstenbach: Die Anwendungsplanung ist wichtig! Im Gegensatz zu E-Mail- oder Telekommunikationssystemen stellen Archivlösungen weniger Basistechnologie als Anwendung dar. Daher ist die genaue Analyse der fachlichen und funktionalen Anforderungen bedeutend: Obwohl viele Lösungen zahlreiche wertvolle Funktionen bereits im Standard enthalten, kann bei ungenügend genau durchgeführter Produktwahl die besonders dringlich benötigte Funktion fehlen. Solche Defizite führen immer wieder zu teuren Nachbesserungen, denn nun muss projektseitig etwas entwickelt werden, was im Konkurrenzprodukt möglicherweise bereits im Standard enthalten ist.

Bewährt hat sich die Bildung einer Projektgruppe mit Vertretern aus Fachbereich und IT, in der am gleichen Strang ziehend sehr gute Arbeitsergebnisse erzielt werden können. Der Erfolg zahlreicher DMS-Projekte wurde nach unserer Beobachtung auf diese Weise herbeigeführt.
 
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