Inventur durchführen und Inventurdifferenzen vermeiden

Inventur durchführen und Inventurdifferenzen vermeiden – so gelingt es

Die jährliche Bestandsaufnahme aller Vermögensgegenstände und Schulden, besser bekannt als Inventur, ist auch für Ihr Unternehmen jedes Mal eine Herausforderung? Dieser Artikel beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Inventur und gibt Tipps, wie Sie eine Inventur durchführen und dabei Inventurdifferenzen vermeiden.

Jedes Unternehmen muss regelmäßig seinen tatsächlichen Bestand an Waren und sonstigen Werten mit dem buchmäßigen Sollbestand vergleichen. Im Folgenden wird erläutert, wozu diese Inventur dient, wie sie richtig durchgeführt wird und wie sich Inventurdifferenzen vermeiden lassen.

Was ist eine Inventur?

Die Inventur ist eine Ist-Aufnahme des Vermögens und der Schulden Ihres Unternehmen, also eine lückenlose Bestandsaufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt. Bei bilanzierenden Unternehmen ist sie Bestandteil des Jahresabschlusses.

Wozu dient die Inventur?

Mit der Inventur weisen Sie nach, dass Ihre Bilanz die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen widerspiegelt. Diese Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit gehören zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Die Inventur beweist, dass Sie über Wareneingänge und Warenausgänge ordnungsgemäß Buch geführt haben – und dass Ihre Wertansätze richtig sind.

Welche Vorteile hat eine Inventur für Sie als Unternehmer?

Die Inventur verschafft Ihnen einen guten Überblick über den Betrieb und seine wirtschaftliche Situation. Außerdem stellen Sie sicher, dass Ihre Vorräte keinen „Schwund“ aufweisen. Sie erkennen Ladenhüter und können diese durch Sonderabschreibungen abwerten. Alles in allem können Sie den Wert Ihres Betriebes gut einschätzen.

Wann müssen Sie die Inventur durchführen? 

Die Inventur ist grundsätzlich zum Ende des Geschäftsjahres, in der Regel zum 31. Dezember, durchzuführen.

Wie häufig sollte eine Inventur durchgeführt werden? 

Der Gesetzgeber verlangt, dass mindestens einmal jährlich der Ist-Bestand gezählt, gemessen und schriftlich dokumentiert wird. Das Ergebnis muss mit den Buchbeständen, die den Sollbestand widerspiegeln, übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Inventurdifferenz vor, die es zu vermeiden gilt.

Was müssen Sie bei der Erfassung der Inventur beachten? 

Grundsätzlich erfasst eine Inventur alle Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens. Auf der Aktivseite sind dies z.B. Kassenbestände, Guthaben auf Konten, Wertpapiere, Beteiligungen, Forderungen, Vorräte, Anlagevermögen, Grundstücke und Gebäude sowie materielle und immaterielle Vermögensgegenstände. Auf der Passivseite werden die Schulden erfasst. Diese Form der Inventur wird als Buchinventur bezeichnet.

In der Praxis bezieht sich der Begriff „Inventur“ jedoch häufig auf die körperliche Bestandsaufnahme von Waren, Rohstoffen und anderen materiellen Gütern im Unternehmen. Diese Güter bilden das Inventar. Die gezählten Bestände werden anschließend mit den Buchwerten der entsprechenden Sachkonten (Sollbestände) verglichen. Zu diesen Sachkonten gehören z.B. Posten unter „Vorräte“ wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe.

Hinweis: Dieser Artikel legt den Fokus stärker auf die Inventur von materiellen Gütern als auf die Inventur von Forderungen oder Anlagevermögen. Der Grund dafür ist, dass die Inventur von Lager- und Warenbeständen in den Bereichen Handel, Handwerk, Gastronomie und Industrie oft als die größere Herausforderung betrachtet wird.

Welche Formen der Inventur gibt es und was sind die Unterschiede?

Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten und Verfahren der Bestandsaufnahme, die sich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Im Folgenden wird ein Überblick über die relevanten Inventurmethoden gegeben.

Stichtagsinventur

Diese gängige Form der Inventur findet in de Regel zwischen dem 31. Dezember und dem 10. Januar des Folgejahres zu einem festgelegten Termin oder Stichtag statt. Sie liegt in zeitlicher Nähe zum Jahresabschluss, da die Inventur die Richtigkeit der Bilanzansätze zum Bilanzstichtag nachweisen soll.

Zeitverschobene, vor- oder nachgelagerte Inventur

Die Stichtagsinventur kann bis zu drei Monate vor und bis zu zwei Monate nach dem Bilanzstichtag durchgeführt werden. Anhand der festgestellten Bestände und der Buchführung über Warenein- und -ausgänge wird dann auf den Stichtag zurückgerechnet, um die Richtigkeit der Bilanz nachzuweisen.

Einzelhändler legen ihre Stichtagsinventur oft in den Januar, da nach dem Weihnachtsgeschäft die Regale leer sind und weniger zu zählen ist. Die Warenein- und -ausgänge werden dann mithilfe des Warenwirtschaftssystems auf den Bilanzstichtag zurückgerechnet.

Eine vor- oder nachgelagerte Inventur ist schwierig, wenn sich die Warenbestände durch Verderb, Schwund, Verdunstung oder Ähnliches unkontrolliert verändern können. In solchen Fällen ist es ratsam, vorher die Genehmigung des Finanzamtes für dieses Verfahren einzuholen.

Für diese Form der Inventur ist ein Warenwirtschaftssystem (WWS) zwingend erforderlich.

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Stichprobeninventur

Haben Sie Vorräte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nur schwer durch Messen, Zählen und Wiegen zu erfassen sind? In diesem Fall besteht die Möglichkeit, eine Teilinventur durchzuführen und die Bestände durch Hochrechnung anhand von Stichproben zu ermitteln. Auch diese Inventurmethode setzt ein Warenwirtschaftssystem voraus.

Permanente Inventur

Unternehmen haben zudem die Möglichkeit, ihre Lagerbestände kontinuierlich über das Jahr hinweg zu erfassen und regelmäßig mit dem Warenwirtschaftssystem abzugleichen. Auch diese Inventurmethode setzt den Einsatz eines Warenwirtschaftssystems voraus.

Inventur: Jede Schraube zählt

Bei Hilfs- und Betriebsstoffen wie Schrauben und Nägeln muss der Ist-Bestand nur alle drei Jahre gezählt werden – ansonsten genügt eine Schätzung

 

Wer muss eine Inventur durchführen?

Nur bilanzierungspflichtige Unternehmen sind zur Inventur verpflichtet. Diese Verpflichtung ist abhängig von der Rechtsform sowie vom Umsatz. Kapitalgesellschaften wie die GmbH, die UG und die AG unterliegen ebenso der Inventurpflicht wie Personengesellschaften wie die OHG, die KG und die GmbH & Co. KG. Auch der eingetragene Kaufmann (e. K.) ist inventurpflichtig.

Freiberufler, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) und Kleingewerbetreibende (Unternehmen mit einem Jahresumsatz von höchstens 600.000 Euro oder einem Jahresgewinn von höchstens 60.000 Euro) sind dagegen von der Inventurpflicht befreit.

In welchen Schritten sollten Sie die Inventur planen und durchführen?

Wenn Sie die folgende Checkliste vor der Durchführung der Inventur sorgfältig abarbeiten, steht einem reibungslosen Ablauf kaum etwas im Wege:

  1. Termin festsetzen — Wählen Sie einen Termin, der idealerweise in zeitlicher Nähe zum Jahresabschluss liegt, da ein späterer Termin die Rückrechnung zum Stichtag erschwert.
  2. Steuerberater einbeziehen — Für prüfungspflichtige Unternehmen ist dies Pflicht, für alle anderen eine Empfehlung: Ziehen Sie Ihren Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hinzu, damit er stichprobenartig prüfen kann, ob die Inventur ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Stichproben sind schriftlich zu dokumentieren.
  3. Inventurteams bilden — Teilen Sie Ihr Personal in Inventurteams ein und rekrutieren Sie rechtzeitig Hilfskräfte. Eine Zweier-Teamstruktur, bei der ein Teammitglied zählt und das andere Teammitglied aufnimmt, ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, hat sich aber bewährt. Eine Inventur ohne Vier-Augen-Prinzip neigt zu Ungenauigkeiten und Fehlern.
  4. Umfang festlegen — Legen Sie den Umfang der Inventur fest. Waren können gezählt, gemessen und gewogen werden, während bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen wie Schrauben und Nägeln oft eine Schätzung ausreicht. Die Schätzmethode muss jedoch schriftlich dokumentiert werden. Alle drei Jahre sollten auch Gegenstände wie Nägel und Öldosen gezählt werden.
  5. Ware ordnen — Unterscheiden Sie zwischen Eigenware, Kundenware ( eventuell für Reparaturen im Betrieb) und Fremdware (z.B. Kommissionsware). Ordnen Sie Ihre Waren, zum Beispiel nach Produktkategorien.
  6. Zählbereiche bilden — Die Arbeit mit Zählbereichen hat sich bewährt. Diese Bereiche entsprechen den Räumen, in denen sich das Inventar befindet, wie z. B. Schaufenster, Laden, Werkstatt, Lagerräume oder bei größeren Lagerflächen einzelne Regale. Anhand der Zählbereiche erstellen Sie einen Inventurplan, an dem sich Ihre Inventurteams orientieren können.
  7. Vollständigkeit gewährleisten — Achten Sie bei der Festlegung der Zählbereiche sorgfältig auf Vollständigkeit. Vergessen Sie keine Ware, die sich außerhalb Ihres Betriebes, z.B. in einer angemieteten Halle, befinden könnte. Sonst kann es Probleme mit dem Finanzamt geben. Im schlimmsten Fall droht eine Steuerschätzung, die erhebliche Kosten verursachen kann.

Wie sollten Sie eine Inventur richtig durchführen?

Die Inventurteams erfassen die Bestände durch Zählen, Messen und Wiegen nach dem zuvor erstellten Inventurplan. Nach Abschluss jedes Zählbereichs führt der Inventurleiter oder der Steuerberater eine Stichprobenkontrolle durch, um zu überprüfen, ob bestimmte Gegenstände erfasst wurden.

Wie lange dauert eine Inventur?

Die Dauer einer Inventur ist schwer vorherzusagen. Es ist jedoch klar, dass das Zählen der Waren den ganzen Tag über eine ermüdende Aufgabe sein kann. Um die Konzentration Ihres Inventurteams aufrechtzuerhalten, ist es ratsam, regelmäßige Pausen einzuplanen. Kontrollieren Sie aktiv, ob alle Bestände korrekt gezählt wurden.

Wie hilft ein Warenwirtschaftssystem Ihnen beim Inventur durchführen?

Am Ende jeder Inventur werden alle Aufzeichnungen zusammengefasst. Die Bewertung der Vorräte übernimmt das Warenwirtschaftssystem, da dort die Einkaufspreise der einzelnen Artikel hinterlegt sind. Um die Bestände und Werte zum Bilanzstichtag vor- oder zurückzurechnen, ist ein Warenwirtschaftssystem unerlässlich.

Auch die Inventurlisten, die von Ihren Teams ausgefüllt werden, können Sie aus dem Warenwirtschaftssystem entnehmen. Diese Listen unterliegen der steuerlichen Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren. Im Rahmen der Dokumentation müssen Sie Folgendes schriftlich festhalten:

  • Wo wurden die Waren erfasst, z.B. im Lager, im Geschäft, in der Werkstatt usw.?
  • Wer hat die Proben genommen?
  • Wann wurden die Proben entnommen?
  • Welche Inventurmethode wurde verwendet (insbesondere bei Schätzungen)?

Wie werten Sie die Ergebnisse der Inventur aus?

In Ihrem Warenwirtschaftssystem können Sie den Zählbestand oder Ist-Bestand mit dem Buchbestand oder Soll-Bestand vergleichen. Diese müssen rechnerisch übereinstimmen. Darüber hinaus ermöglicht Ihnen die Warenwirtschaftssoftware, relevante Kennzahlen zu Wareneinsatz, Lagerumschlag und Durchschnittsbeständen zu extrahieren und zu analysieren. So können Sie erkennen, welche Produkte sich schlecht verkaufen und in Zusammenarbeit mit Ihrem Steuerberater diese schwer verkäuflichen Waren bilanziell abwerten, was zu steuermindernden Sonderabschreibungen führt. In den meisten Fällen wird es aber auch zu Inventurdifferenzen kommen.

Wie lassen sich Inventurdifferenzen vermeiden?

Inventurdifferenzen treten bei fast jeder Inventur auf. Mögliche Ursachen sind Fehler bei der Inventur selbst, fehlerhafte Buchungen, falsche Zuordnung von Waren und Preisen, Verderb, Beschädigung, Verlust von Waren oder Schwund durch Diebstahl.

Es wird empfohlen, zunächst zu prüfen, ob die Inventur korrekt durchgeführt wurde und ob die richtigen Preise im System verwendet wurden. Eine eingehende Prüfung der Buchhaltung sowie eine genaue Überprüfung des Soll-Ist-Abgleichs sind ebenfalls ratsam.

Der Einsatz eines Warenwirtschaftssystems trägt wesentlich dazu bei, viele Inventurdifferenzen von vornherein zu vermeiden. Es zeichnet alle Warenein- und -ausgänge genau auf, ermöglicht eine permanente Bestandsverfolgung und erlaubt zeitnahe und korrekte Buchungen.


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