Inventur durchführen und Inventurdifferenzen vermeiden

Inventur durchführen und Inventurdifferenzen vermeiden: So geht’s

 
Die alljährliche Bestandsaufnahme sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden, besser bekannt als Inventur, ist für viele Unternehmen eine Herausforderung. Dieser Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Inventur und gibt Tipps, wie sich Inventurdifferenzen vermeiden lassen.

Jedes Unternehmen muss regelmäßig seinen tatsächlichen Warenbestand und seine sonstigen Wertbestände mit dem buchhalterischen Sollbestand abgleichen. Im Folgenden wird erläutert, welchem Zweck diese Inventur dient, wie sie durchzuführen ist und wie sich Inventurdifferenzen verhindern lassen.

1. Was ist eine Inventur?

Die Inventur ist eine Ist-Aufnahme von Vermögen und Schulden in einem Unternehmen, also die lückenlose Aufnahme des Bestands zu einem bestimmten Zeitpunkt. Bei bilanzierenden Unternehmen gehört sie zwingend zum Jahresabschluss. Wann muss die Inventur durchgeführt werden? Sie steht grundsätzlich zum Ende des Geschäftsjahres an, also meist zum 31. Dezember. Wie häufig sollte eine Inventur stattfinden? Der Gesetzgeber verlangt, dass die tatsächlichen Bestände mindestens einmal jährlich gezählt, gemessen und schriftlich festgehalten werden. Das Ergebnis muss den Buchbeständen entsprechen, die den Sollbestand widerspiegeln. Wenn das nicht der Fall ist, liegt eine Inventurdifferenz vor.

2. Wozu dient die Inventur?

Die Inventur weist nach, dass Ihre Bilanz die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen widerspiegelt. Diese Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit gehören zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Mit der Inventur beweisen Sie, dass Sie über Wareneingänge und -ausgänge ordnungsgemäß Buch geführt haben und Ihre Wertansätze korrekt sind.

Es gibt allerdings noch weitere Gründe, warum eine Inventur gemacht werden muss. Sie als Unternehmer erhalten anhand der Inventur außerdem einen guten Überblick über den Betrieb und seine Lage aus wirtschaftlicher Sicht. Außerdem vergewissern Sie sich als Unternehmer, dass Ihre Vorräte keinen sogenannten “Schwund” aufweisen. Sie erkennen Ladenhüter und können diese durch Sonderabschreibungen abwerten und können ganz allgemein den Wert des Betriebs gut einschätzen.

3. Welche Dinge sind Gegenstand der Inventur?

Was muss bei einer Inventur erfasst werden? Prinzipiell erfasst eine Inventur alle Vermögensgegenstände und Schulden im Betrieb: Auf der Aktivseite sind dies: Kassenbestände, Kontenguthaben und Wertpapiere, Beteiligungen, Forderungen, Vorräte, Anlagen, Grundstücke und Gebäude, materielle und immaterielle Vermögensgegenstände; auf der Passivseite sind es die Verbindlichkeiten. Hier spricht man auch von einer sogenannten Buchinventur.

Oft bezieht sich der Begriff jedoch auf die körperliche Bestandsaufnahme von Waren, Rohstoffen und materiellen Dingen im Unternehmen. Diese Dinge bilden das Inventar. Die Zählbestände werden dann mit den Buchwerten der entsprechenden Sachkonten (Sollbestände) abgeglichen. Das sind die Posten, die unter Vorräte, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe usw. fallen.

Dieser Artikel nimmt die Inventur von materiellen Dingen stärker in den Blick als die von Forderungen oder Wertpapieren. Denn für Handel, Handwerk, Gastronomie und Industrie ist die Inventur von Lager- und Warenbeständen oft die größere Hürde.
 

Inventur leicht gemacht — mit professioneller Warenwirtschaftssoftware Zeit sparen


 

4. Welche Formen der Inventur gibt es und was sind die Unterschiede?

Grundsätzlich gibt es verschiedene Inventurarten beziehungsweise Inventurverfahren. Diese unterscheiden sich teilweise erheblich. Hier ein Überblick über die relevanten Inventurmethoden:

Stichtagsinventur

Diese häufige Variante der Inventur wird zwischen dem 31. Dezember und dem 10. Januar des Folgejahres an einem bestimmten Termin oder Stichtag vorgenommen. Sie liegt in zeitlicher Nähe zum Jahresabschluss. Denn die Inventur soll ja die Richtigkeit der Bilanzansätze zum Bilanzstichtag beweisen.

Zeitverschobene, vor- oder nachgelagerte Inventur

Die Stichtagsinventur darf bis zu drei Monate vor und bis zu zwei Monate nach dem Bilanzstichtag stattfinden. Aufgrund der festgestellten Bestände und der Buchführung über Wareneingänge und Warenausgänge wird dann auf den Stichtag zurückgerechnet, um die Richtigkeit der Bilanz nachzuweisen.

Einzelhändler legen ihre Stichtagsinventur oft in den Januar, weil nach dem Weihnachtsgeschäft die Regale leer sind und es weniger zu zählen gibt. Wareneingänge und Warenausgänge werden dann mithilfe des Warenwirtschaftssystems auf den Bilanzstichtag zurückgerechnet.

Eine vor- oder nachgelagerte Inventur ist schwierig, wenn sich Warenbestände durch Verderb, Schwund, Verdunsten oder Ähnliches unkontrolliert ändern können. In solchen Fällen sollten Sie vorher eine Genehmigung des Finanzamts für dieses Vorgehen einholen.

Für diese Form der Inventur ist ein Warenwirtschaftssystem (WWS) zwingend notwendig.

Stichprobeninventur

Manche Unternehmen haben Vorräte, die sich durch Messen, Zählen und Wiegen kaum ermitteln lassen. Diese Unternehmen können nach einer Teilerfassung der Vorräte ihre Bestände anhand von Stichproben hochrechnen. Auch diese Inventurmethode erfordert ein Warenwirtschaftssystem.

Permanente Inventur

Unternehmen können auch über das gesamte Jahr ihre Vorräte erfassen und die Bestände mit dem Warenwirtschaftssystem abgleichen. Diese Variante erfordert ebenfalls ein WWS.

Inventur: Jede Schraube zählt

Bei Hilfs- und Betriebsstoffen wie Schrauben und Nägeln muss der Istbestand nur alle drei Jahre gezählt werden – ansonsten genügt eine Schätzung

5. Wer muss eine Inventur machen?

Nur bilanzierende Unternehmen müssen eine Inventur durchführen. Die Rechtsform und/oder der Umsatz sind dabei maßgeblich.

Inventurpflichtig sind alle Kapitalgesellschaften, wie zum Beispiel GmbH, UG und AG. Auch Personengesellschaften wie OHG, KG und GmbH & Co. KG müssen Inventur machen. Der eingetragene Kaufmann (e. K.) ist ebenfalls inventurpflichtig.

Keine Inventur machen müssen Freiberufler, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) und Kleingewerbetreibende (das sind Unternehmen mit maximal 600.000 Euro Jahresumsatz oder maximal 60.000 Euro Jahresgewinn).

6. Wie wird die Inventur vorbereitet?

Wenn Sie schon vor Beginn folgende Checkliste abhaken, dann kann schon nicht mehr viel schiefgehen:

  • Termin machen — Legen Sie einen Termin fest. Der sollte möglichst nah am Jahresabschluss liegen, denn je später der Termin, umso schwerer ist es, auf den Stichtag zurückzurechnen.
  • Steuerberater hinzuziehen — Bei prüfungspflichtigen Unternehmen Pflicht, bei allen anderen Kür: Holen Sie Ihren Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer dazu, damit er Stichproben nehmen und sich vergewissern kann, dass die Inventur richtig durchgeführt wird. Diese Stichproben sind schriftlich festzuhalten.
  • Inventurteams bilden — Teilen Sie Ihr Personal in Inventurteams ein und rekrutieren Sie rechtzeitig Hilfskräfte. Sollte eine Inventur immer zu zweit erfolgen? Das Prinzip ist zwar nicht verpflichtend, aber: Zweierteams, in denen einer ansagt und der andere erfasst, haben sich bewährt. Eine Inventur ohne das Vier-Augen-Prinzip ist häufig ungenau und fehleranfällig.
  • Umfang festlegen — Legen Sie den Umfang fest. Waren können Sie zählen, messen und wiegen. Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen wie Schrauben und Nägeln genügt eine Schätzung. Die Inventurmethode “Schätzung” muss aber schriftlich festgehalten werden. Und: mindestens alle drei Jahre müssen Sie auch Nägel und Öldosen zählen.
  • Ware ordnen — Trennen Sie eigene Ware, Ware von Kunden (die vielleicht für eine Reparatur im Betrieb ist) und Ware von Dritten (wie Kommissionsware). Ordnen Sie Ihre Ware, zum Beispiel nach Produkten.
  • Zählbereiche bilden — Es hat sich bewährt, nach Zählbereichen vorzugehen. Zählbereiche sind die Räume, in denen sich das Inventar befindet: Schaufenster, Laden, Werkstatt, Lagerräume oder bei sehr großen Lagerflächen die einzelnen Regale. Auf Grundlage der Zählbereiche erstellen Sie einen Inventurplan. Nach diesem Inventurplan können Ihre Inventurteams vorgehen.
  • Vollständigkeit gewährleisten — Beim Festlegen der Zählbereiche sollten Sie penibel auf Vollständigkeit achten. Wenn zum Beispiel Ware außerhalb Ihres Betriebs lagert, vielleicht in einer gemieteten Halle, dann dürfen Sie diese nicht vergessen. Sonst ist Ärger mit dem Finanzamt vorprogrammiert. Im schlimmsten Falle droht die Zuschätzung von Steuern – und das kann richtig teuer werden.

7. Wie sollten Sie eine Inventur durchführen?

Die Inventurteams erfassen die Vorräte durch Zählen, Messen und Wiegen und gehen dabei nach dem Inventurplan vor. Nach jedem Zählbereich macht der Inventurleiter oder Steuerberater eine Stichprobe, das heißt, er prüft, ob ein bestimmter Gegenstand aufgenommen wurde.

Wie lange eine Inventur dauert, ist schwierig vorherzusagen. Klar ist aber: Den ganzen Tag über Waren zu zählen kann eine ermüdende Angelegenheit sein. Damit Ihre Inventurteams konzentriert bleiben, gönnen Sie ihnen Pausen. Überwachen Sie aktiv, ob Ihre Leute tatsächlich alle Bestände richtig zählen.

8. Wie hilft ein Warenwirtschaftssystem?

Am Ende werden alle Aufzeichnungen zusammengefasst. Die Bewertung der Vorräte erledigt das Warenwirtschaftssystem für Sie, denn darin sind die Einkaufspreise der verschiedenen Gegenstände hinterlegt. Für das Vor- oder Zurückrechnen der Bestände und Werte auf den Bilanzstichtag ist ein Warenwirtschaftssystem unerlässlich.

Die Inventurlisten, die Ihre Teams ausfüllen, können Sie ebenfalls aus Ihrem Warenwirtschaftssystem ziehen. Diese Listen unterliegen der steuerlichen Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren.

Im Rahmen der Dokumentation müssen Sie schriftlich festhalten:

  • Wo wurden die Waren erfasst, etwa im Lager, im Geschäft, in der Werkstatt usw.?
  • Welche Person hat Stichproben genommen?
  • Wann wurden diese Stichproben genommen?
  • Welche Inventurmethode wurde angewandt (insbesondere bei Schätzungen)?

9. Wie werten Sie die Ergebnisse aus?

In Ihrem Warenwirtschaftssystem können Sie den Zählbestand oder Istbestand mit dem Buchbestand oder Sollbestand vergleichen. Diese müssen rechnerisch übereinstimmen.

Sie können sich aus der Warenwirtschaftssoftware darüber hinaus wichtige Kennzahlen rund um Wareneinsatz, Lagerumschlag und Durchschnittsbestände ziehen und analysieren. So stellen Sie fest, welche Ladenhüter Sie haben, und können mit Unterstützung Ihres Steuerberaters solche schwer verkäuflichen Güter bilanziell abwerten. Dabei entsteht eine steuermindernde Sonderabschreibung.

In den meisten Fällen werden Sie allerdings auch mit Inventurdifferenzen zu tun haben.

10. Wie lassen sich Inventurdifferenzen vermeiden?

Inventurdifferenzen kommen bei fast jeder Inventur vor. Ursachen können sein: Fehler bei der Inventur selbst, Fehlbuchungen, falsche Zuordnungen von Ware und Preis, Verderb, Beschädigung, Untergang der Ware oder Schwund durch Diebstahl.

Prüfen Sie, sofern das möglich ist, zunächst einmal, ob richtig gezählt und die richtigen Preise im System verwendet wurden. Forschen Sie nach, ob Ihre Buchhaltung in Ordnung ist und ob die Soll-Ist-Abstimmung korrekt vorgenommen wurde.

Mit einem Warenwirtschaftssystem lassen sich viele Inventurdifferenzen von vornherein vermeiden. Es verfolgt präzise alle Wareneingänge und -ausgänge und ermöglicht es, Bestände permanent nachzuhalten und zeitnah richtig zu buchen.
 
Lesen Sie auch:
>> Was ist ein Warenwirtschaftssystem? – Wie Unternehmen ihre Warenwirtschaft effizient verwalten können
>> Effiziente Lagerhaltung in 5 Schritten
 

Bildquellen: thebigland45-stock.adobe.com (Beitragsbild oben), studiovin-shutterstock.com