Mitarbeitergespräche führen: Leitfaden für Führungskräfte
Die jährlichen Mitarbeitergespräche sind das Schreckgespenst vieler Vorgesetzter – und mindestens genauso vieler Beschäftigter. Dabei sind die oft als lästige Pflicht empfundenen Gespräche eine große Chance für das Teamgefüge, das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter und dessen persönliche Weiterentwicklung. Dieser Leitfaden zeigt, wie Sie erfolgreich Mitarbeitergespräche führen.
Warum sollten Führungskräfte Mitarbeitergespräche führen?
Den wenigsten Führungskräften ist bewusst, welch mächtiges Instrument ein durchdacht aufgebautes Mitarbeitergespräch ist. Bei einer entsprechend strukturierten Vorgehensweise kann es diese Vorteile entfalten:
- Mitarbeiter durch gezieltes Feedback motivieren
- Das persönliche Verhältnis zwischen Führungskraft und Arbeitnehmer verbessern
- Stärken und Schwächen des Arbeitnehmers aufdecken
- Bindung des Mitarbeiters ans Unternehmen fördern
- Unzufriedenheit von Arbeitnehmern frühzeitig erkennen
- Qualifikationspotenzial und Entwicklungsmöglichkeiten feststellen und Karriereziele identifizieren
- Vertrauen des Mitarbeiters in die Führungskraft fördern
- Feedback zu sinnvollen Veränderungen in den Arbeitsprozessen erhalten
Ein gut geführtes Mitarbeitergespräch ermöglicht es, Entwicklungs- und Fördermöglichkeiten herauszuarbeiten. Es ist somit zugleich eine wichtige Basis für die Personalentwicklung und Karriereplanung der Mitarbeiter.
Welche Arten von Mitarbeitergesprächen gibt es?
Mitarbeitergespräche lassen sich in zwei Gruppen unterteilen:
- Anlassbezogene Gespräche: Diese Gespräche finden immer dann statt, wenn es dafür einen Anlass gibt. Dies kann etwa der erfolgreiche Abschluss eines Projekts, ein bestehender Konflikt, das Auslaufen der Probezeit oder auch eine schlechte Leistung sein. Sie dauern typischerweise nicht sehr lang, finden kurzfristig und mitunter sogar spontan statt und haben ein klar abgegrenztes, momentan aktuelles Thema.
- Institutionalisierte Gespräche: Solche Mitarbeitergespräche führen Arbeitgeber mit ihren Beschäftigten ohne einen bestimmten Anlass. Sie werden in vielen Unternehmen in bestimmten Abständen, meist jährlich, abgehalten. Sie dienen dazu, mit dem Mitarbeiter über seine Leistung und erreichte (oder verfehlte) Ziele zu sprechen, ihn neu zu motivieren, seine Entwicklungsmöglichkeiten zu eruieren und Ziele für das kommende Jahr zu vereinbaren. Für diese Gespräche, die meist einem standardisierten Ablauf folgen, gibt es einen festen Rahmen. Häufig werden im Jahresgespräch auch Gehaltsthemen angesprochen.
Wann und wie oft sind Gespräche sinnvoll?
Bei dieser Frage kommt es auf die Art des Mitarbeitergesprächs an. Anlassbezogene Gespräche finden am besten mit engem zeitlichem Bezug zum jeweiligen Anlass statt, also etwa direkt nach der Rückkehr aus der Elternzeit oder unverzüglich bei Bekanntwerden eines Konflikts. Hier gilt die Prämisse: Besser gleich Feedback geben, statt auf das Jahresgespräch zu warten – bis dahin ist ein Großteil der Themen wieder vergessen.
Die institutionalisierten Mitarbeitergespräche werden in den meisten Unternehmen einmal jährlich durchgeführt, häufig zeitlich an die ebenfalls jährlich anstehenden Mitarbeiterbeurteilungen gekoppelt. Es sind aber auch andere Intervalle denkbar.
Unabhängig davon sollten Führungskräfte auf einen regelmäßigen Austausch mit ihren Mitarbeitern achten, mindestens quartalsweise. Diese Gespräche dürfen ruhig ungezwungen und ohne festen Rahmen ablaufen, sollten aber dennoch den Arbeitnehmern die Chance geben, Probleme oder Wünsche anzusprechen.
Wie sieht der ideale Rahmen für ein Mitarbeitergespräch aus?
Um den Mitarbeiter Ihre Wertschätzung spüren zu lassen und positive Ergebnisse des Gesprächs sicherzustellen, sollten Sie dieses gut vorbereiten:
- Vorbereitung des Termins: Verschicken Sie frühzeitig eine Einladung zum Termin, die über die wichtigsten Themen informiert. Reservieren Sie einen ungestörten Raum, planen Sie ausreichend Zeit ein und stellen Sie sicher, dass Sie alle nötigen Unterlagen parat haben.
- Inhaltliche Vorbereitung: Machen Sie sich Notizen, worüber Sie mit Ihrem Mitarbeiter sprechen wollen. Neben Zielen, Leistungen, Stärken und Schwächen können auch private Themen, zum Beispiel familiäre oder gesundheitliche Probleme, in ein Mitarbeitergespräch einfließen. Setzen Sie sich Ziele, die Sie mit dem Gespräch erreichen wollen.
- Atmosphäre: Sorgen Sie für eine störungsfreie Umgebung, in der Ihr Mitarbeiter auch aus seiner Perspektive erzählen kann. Hören Sie ihm aufmerksam zu und notieren Sie wichtige Themen.
- Zielvereinbarung: Typischer Bestandteil eines Mitarbeitergesprächs ist die Vereinbarung gemeinsamer Ziele. Diese sollten realistisch zu erreichen sein und den Mitarbeiter motivieren.
- Dokumentation: Halten Sie die wichtigsten besprochenen Punkte schriftlich fest und händigen Sie Ihrem Mitarbeiter ein Exemplar aus. Für mehr Verbindlichkeit der vereinbarten Ziele können beide Gesprächsteilnehmer unterschreiben. Die Dokumentation ist die Basis für das nächste Mitarbeitergespräch.
- Leitfaden: Es ist sinnvoll, das Gespräch anhand eines standardisierten Leitfadens aufzubauen. So stellen Sie sicher, dass Sie keine wesentlichen Inhalte übersehen.
Worum geht es im Mitarbeitergespräch inhaltlich?
Der Inhalt eines anlassbezogenen Mitarbeitergesprächs richtet sich nach dem Anlass. Beim jährlichen Gespräch können hingegen verschiedenste Themen zur Sprache kommen, darunter folgende Inhalte:
- Arbeitsergebnisse und erreichte Ziele des vergangenen Jahres
- Pläne, Erwartungen und Ziele in den kommenden Monaten
- Karriereziele und Personalentwicklungsmaßnahmen
- Bestehende oder schwelende Konflikte
- Rückmeldung des Mitarbeiters an die Führungskraft (z. B. zum Führungsverhalten)
- Verbesserung der Aufgabenverteilung und Optimierung der Abläufe
Auch wenn das Gespräch einer festen Struktur folgen sollte – lassen Sie immer Freiraum für zusätzliche Themen, die sich ergeben oder die der Mitarbeiter anspricht. Zudem können Sie persönliche Fragen nutzen, um mehr über Ihren Gesprächspartner zu erfahren, über seine Wünsche, Motivation, Stärken und Schwächen.
Rechtliche Fragen
Darf der Arbeitnehmer ein Mitarbeitergespräch ablehnen?
Der Arbeitgeber darf aufgrund seines Weisungs-/Direktionsrechts den Arbeitnehmer zum Mitarbeitergespräch laden. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn es im Termin nicht um Themen gehen soll, die der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts regeln kann. Andersherum gesagt: Geht es um Details des Arbeitsvertrags, zum Beispiel die Entgeltzusammensetzung, kann der Arbeitnehmer die Teilnahme verweigern (Urteil des BAG vom 23. Juni 2009, Az. 2 AZR 606/08).
Verweigert der Mitarbeiter zu Unrecht das Gespräch, kann der Arbeitgeber dagegen per Abmahnung vorgehen. Im Wiederholungsfall ist sogar die Kündigung möglich.
Darf der Arbeitgeber während einer Krankschreibung ein Gespräch verlangen?
Während Arbeitnehmer krankgeschrieben sind, dürfen Arbeitgeber sie aufgrund ihrer Rücksichtnahmepflicht nicht durch ein Mitarbeitergespräch in ihrer Genesung hindern. Lediglich wenn eine einem Notfall ähnliche Situation vorliegt, könnte dies angezeigt sein. Doch auch dann sollte vorrangig ein Telefonat geführt werden.
Darf der Mitarbeiter eine weitere Person zum Gespräch hinzuziehen?
Der Mitarbeiter muss am Mitarbeitergespräch selbst teilnehmen. Er kann sich nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen Dritten vertreten lassen. Nur wenn der Arbeitgeber zusätzliche Personen hinzuzieht, ist dies auch dem Mitarbeiter gestattet (Urteil des LAG Hamm vom 23. Januar 2001, Az. 14 Sa 497/01).
In einigen Fällen hat der Arbeitnehmer das Recht, den Betriebsrat hinzuziehen. Dies ist etwa der Fall, wenn es um die Einsichtnahme in die Personalakte oder um die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts geht, Beschwerden behandelt werden, Arbeitsabläufe so stark geändert werden, dass der Arbeitnehmer eine Fortbildung benötigt oder bei Präventionsgesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements.
Weitere Sonderfälle sind Dolmetscher für Mitarbeiter, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, Gebärdendolmetscher für taubstumme Mitarbeiter sowie bei minderjährigen Mitarbeitern der gesetzliche Vertreter.
Darf das Mitarbeitergespräch aufgezeichnet werden?
Es ist nicht zulässig, das Gespräch zu Beweiszwecken auf Video oder mit einem Handy akustisch aufzuzeichnen. Nimmt der Mitarbeiter es heimlich auf, kann der Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt sein (Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 30. April 2012, Az. 5 Sa 687/11).
Sabine Hutter ist freie Texterin aus dem bayerischen Waidhofen. Die Betriebswirtin und ehemalige Personalreferentin schreibt in diesem Blog Beiträge zu HR-Themen.
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