Warenwirtschaft einführen in 7 Schritten

Die Auswahl und Implementierung einer Warenwirtschaftssoftware birgt einige Fallstricke. Dieser Beitrag skizziert die wesentlichen Schritte, um eine neue Warenwirtschaftslösung erfolgreich einzuführen.

Stellen Sie sich vor: Kürzlich haben Sie ein Warenwirtschaftssystem (WWS) in Ihrem Unternehmen eingeführt. Zu Beginn läuft alles reibungslos. Doch dann ändern sich die betrieblichen Anforderungen, was Anpassungen am System erfordert. Leider erweist sich die Warenwirtschaftssoftware als unflexibel und starr. Zudem kann der Anbieter erforderliche Funktionen nicht zeitnah bereitstellen. Kurz gesagt, Sie haben die falsche Lösung gewählt. Nun bleibt Ihnen nur eine Option: Sie müssen die gerade erst implementierte Software ersetzen und eine andere Warenwirtschaftslösung einführen.

Dieses fiktive Szenario verdeutlicht, woran Softwareprojekte im Bereich der Warenwirtschaft scheitern können – nämlich an unzureichender Planung. Deshalb sollte man bei der Einführung eines Warenwirtschaftssystems von Anfang an planvoll und strukturiert vorgehen. Die folgenden Tipps geben in groben Zügen die wesentlichen Schritte eines erfolgreichen Softwareprojekts wieder.

1. Ziele klar definieren – Was wollen Sie mit dem neuen Warenwirtschaftssystem erreichen?

Christian Morgenstern (1871-1914) schrieb einst treffend: “Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden.” Bestimmen Sie daher zuerst die Ziele, die Sie mit der Einführung einer neuen Warenwirtschaftssoftware verfolgen. Diese könnten beinhalten:

  • Beschleunigte Auftragsabwicklung durch verbesserten Informationsfluss
  • Erhöhte Qualität und Aktualität von Informationen zur Entscheidungsvorbereitung und Ergebniskontrolle
  • Kostensenkung durch Rationalisierung der Betriebsabläufe
  • Ersatz papierbasierter/händischer Prozesse und vieles mehr

2. Anforderungen deutlich benennen – Was muss die Warenwirtschaftssoftware können?

Erstellen Sie ein Lastenheft (Anforderungskatalog) mit Ihren Anforderungen an das Warenwirtschaftssystem. Legen Sie darin fest, welche Funktionsbereiche die Warenwirtschaftssoftware abdecken muss.

Zu den Kernaufgaben einer Warenwirtschaft gehören unter anderem:

  • Auftragsverwaltung
  • Erfassung und Bereitstellung der Daten zu Warenbeständen (Bestandsführung)
  • Steuerung des Warenflusses
  • Erfassung und Verarbeitung der Wareneingänge und Warenausgänge
  • Sortimentsverwaltung
  • Inventur
  • Rechnungsprüfung

Ein gutes Warenwirtschaftssystem bietet darüber hinaus Zusatzfunktionen wie zum Beispiel: Einkauf (Bestellwesen), Chargenverwaltung, oder Offene-Posten-Verwaltung.

Abhängig von der Branche und den betrieblichen Gegebenheiten kann es auch sinnvoll sein, die Warenwirtschaft mit anderen Funktionsbereichen im Unternehmen zu integrieren. Einige Beispiele hierfür sind:

Die gewünschten Funktionsbereiche können, sofern sie sich in verschiedenen Systemen befinden, über Schnittstellen miteinander verbunden werden. Dies erfordert entsprechend der IT-Struktur möglicherweise Anpassungen. Es gibt jedoch auch Warenwirtschaftssysteme, bei denen sich zusätzliche Funktionen als modulare Erweiterungen in das WWS integrieren lassen.

 

Elemente und Funktionen einer Warenwirtschaftssoftware 

Warenwirtschaftssystem einführen

 

3. Anbieter sorgfältig auswählen – Wer eignet sich?

Auf Basis Ihrer Vorüberlegungen können Sie nun Anbieter von Warenwirtschaftssoftware recherchieren. Dabei gilt es, eine Grundsatzentscheidung zu treffen: Soll es eine speziell für Ihr Unternehmen angefertigte Software (Individualsoftware) oder eine Standardsoftware sein? Beides hat Vor- und Nachteile, wie die folgende Übersicht zeigt.

Standardsoftware vs. Individualsoftware 

Standardsoftware
Vorteile

  • Niedrigere und besser kalkulierbare Kosten
  • Breiter Funktionsumfang
  • Flexible Anpassung an betriebliche Besonderheiten durch modularen Aufbau und Anpassungsmöglichkeiten
  • Kontinuierliche Weiterentwicklung durch den Hersteller
  • Reduziertes Fehlerrisiko aufgrund häufiger Anwendung
  • Schnelle Verfügbarkeit

Nachteil

  • Integration in bestehende Strukturen oft mit Einführungsaufwand verbunden

Individualsoftware

Vorteil

  • Geringerer Anpassungsaufwand, weil auf die betrieblichen Prozesse individuell zugeschnitten

Nachteile

  • Starke Abhängigkeit vom Softwareentwickler
  • In der Regel höhere Anschaffungskosten
  • Eingeschränkte Flexibilität, wenn dies nicht beim Systementwurf eingeplant wurde
  • Meist höhere Kosten für Wartung und Weiterentwicklung
  • Möglicherweise unzureichende Kapazitäten für Support und Weiterentwicklung seitens des Anbieters

 

Für die meisten KMU dürfte eine Standardsoftware die bessere Wahl sein. Sie ist in der Regel deutlich kostengünstiger als eine individuell angefertigte Software und bietet zudem durch kontinuierliche Weiterentwicklung und Wartung oft ein höheres Maß an Zukunftssicherheit. Das verbreitete Vorurteil gegenüber Standardsoftware, man müsse erst einmal die Geschäftsprozesse anpassen, ist in der Praxis längst widerlegt. Moderne Standard-Warenwirtschaftssysteme lassen sich aufgrund ihres modularen Aufbaus flexibel konfigurieren und durch sogenanntes Customizing (Anpassung) auf die Bedürfnisse des Kunden zuschneiden.

Nachdem Sie Ihre Grundsatzentscheidung getroffen haben (Individualsoftware vs. Standardsoftware), wählen Sie einen engeren Kreis von infrage kommenden Kandidaten aus, vielleicht drei). Bitten Sie die Anbieter auf der Grundlage Ihres Lastenhefts jeweils ein Angebot abzugeben. Dabei ist es wichtig, dass die Angebote vergleichbar sind.

4. Zuständigkeiten, Abläufe und Fristen festlegen – Wer übernimmt welche Aufgaben bei der Einführung des Warenwirtschaftssystems?

Sie haben eine Lösung ausgewählt. Klären Sie nun, bevor Sie die Warenwirtschaft einführen, wer innerhalb und außerhalb Ihres Unternehmens für was zuständig ist. Festzulegen sind unter anderem die folgenden Zuständigkeiten:

  • Wer ist in Ihrem Unternehmen verantwortlicher Hauptansprechpartner während des Einführungsprojekts?
  • Wer sind gegegebenenfalls die Ansprechpartner in den Fachabteilungen?
  • Wer erstellt das Konzept?
  • Wer ist auf Seiten des Softwareanbieters oder dessen Vertriebs- und Implementierungspartners Ihr Ansprechpartner?
  • Welche Aufgaben liegen in der Verantwortung des Softwareanbieters oder seiner Partner?
  • Wer ist für die Datenübernahme vom alten System in das neue System verantwortlich?

Legen Sie außerdem in Abstimmung mit dem Softwareanbieter die Abläufe und Fristen fest:

  • Welche Aufgaben müssen von wem bis zu welchem Zeitpunkt erledigt werden?
  • Bis zu welchem Zeitpunkt müssen die Daten aus dem Altsystem importiert sein?
  • Wann startet die Testphase?
  • Wann soll das neue WWS in den Echtbetrieb gehen?

Wenn Sie alle Fragen zufriedenstellend beantwortet haben, können Sie starten und die neue Warenwirtschaft einführen. Ihr Softwarepartner unterstützt Sie bei der Installation und Konfiguration des Systems.

5. Gründlich testen – Das neue WWS auf Herz und Nieren prüfen

Bevor Sie mit dem neuen Warenwirtschaftssystem in den Echtbetrieb gehen, sollten Sie es gründlichen Tests unterziehen. Zu prüfen sind insbesondere:

  • Funktionen
  • Stabilität der Prozesse
  • Schnittstellen
  • Konsistenz der übernommenen Daten

Häufig werden in der Testphase noch Anpassungen am System vorgenommen (z. B. Fehlerkorrekturen, Ergänzung von Funktionen). Nach dem letzten erfolgreichen Systemtest können Sie den finalen Termin für den Produktivstart der neuen Warenwirtschaftssoftware festlegen.

6. Schulungen einplanen – Die Anwender rechtzeitig ins Boot holen

Obwohl dieser Projektschritt erst an sechster Stelle steht, sollten Sie mit der Schulung Ihrer Mitarbeiter nicht bis zum Produktivstart warten. Wenn Sie eine Warenwirtschaft einführen, ist es ratsam, zuerst Ihre IT-Fachleute (Systemadministratoren) und die Führungskräfte mit der Konfiguration, Rechtevergabe und Bedienung vertraut zu machen. Im nächsten Schritt lernen die künftigen Anwender die Bedienabläufe der Software kennen, um im Tagesgeschäft sicher damit umgehen zu können.

7. Kontinuierlich optimieren – Nach dem Produktivstart geht’s weiter

Sie haben es geschafft: Das neue Warenwirtschaftssystem ist an den Start gegangen und läuft im Echtbetrieb. Aber damit ist das Projekt “Warenwirtschaft einführen” keineswegs automatisch beendet. Meistens zeigen sich nach dem Produktivstart und den ersten Erfahrungen der Anwender weitere Möglichkeiten, das System zu optimieren. Betrachten Sie die Weiterentwicklung Ihrer Warenwirtschaft daher als einen fortlaufenden Prozess. Und nehmen Sie Ihren Softwareanbieter und dessen Partner dabei in die Pflicht.
 

Whitepaper: Auswahl von Warenwirtschaftssoftware

Whitepaper: Implementierung von Warenwirtschaftssoftware – wie Sie Ihr Einführungsprojekt optimal vorbereiten und durchführen

Whitepaper kostenlos anfordern


Lesen Sie auch:
>> ERP-Lastenheft und Pflichtenheft erstellen
>> Wie Sie Ihre Lagerkosten senken – Tipps für KMU
>> Warenwirtschaft für Onlinehandel – Fit in 6 Schritten

Bildquellen: fritz international/photocase.de (Beitragsbild oben), HS – Hamburger Software (Infografik)