Digitaler Rechnungseingang

Digitaler Rechnungseingang: Einstieg in modernere Prozesse

Viele mittelständische Unternehmen könnten durch eine Umstellung auf digitale Rechnungsprozesse Geld und Zeit sparen. Stephan Greulich von der DATEV erläutert im Interview die Vorzüge sowie die organisatorischen, technischen und rechtlichen Anforderungen der elektronischen Rechnungsverarbeitung.

Herr Greulich, weshalb sollten kleine und mittlere Unternehmen die Rechnungsschreibung und den Rechnungseingang digitalisieren?

Stephan Greulich: Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Der Zeitgewinn, schon allein weil Ausdrucken, Kuvertieren und Versenden von Unterlagen entfallen. Die Kosteneinsparungen: Laut einer Studie der Goethe-Universität in Frankfurt a. M. lassen sich allein im Prozess der Rechnungsschreibung und -prüfung 60 bis 80 Prozent des Zeitaufwands und damit bares Geld einsparen, wenn dabei statt auf Papierrechnungen auf durchgängig digitale Prozesse gesetzt wird. Die Zuverlässigkeit: Denn wenn Daten in den Systemen digital und somit medienbruchfrei weiterverarbeitet werden, gibt es keine Tippfehler oder Ähnliches und es geht nichts verloren. Die Kontrolle, die in diesen Tagen besonders wichtig ist:

“Betriebswirtschaftliche Daten liegen zeitnah vor, Fehlentwicklungen lassen sich dadurch schneller erkennen und ein rechtzeitiges Gegensteuern wird möglich.”

Zudem die Flexibilität, denn die Belege und Dokumente sind von allen Orten aus für die Berechtigten im Zugriff, auch vom Homeoffice aus. Insbesondere die Bedeutung der Flexibilität bestätigt sich aktuell durch die Corona-Pandemie, in der die verschiedenen Beteiligten von unterschiedlichen Orten aus wirken und gemeinsam an einem Verarbeitungsprozess arbeiten.

 

Stephan Greulich
Stephan Greulich verantwortet bei DATEV die Produktstrategie und das Anforderungsmanagement für das Geschäftsfeld Rechnungswesen. Darüber hinaus ist er in verschiedenen externen Gremien und Verbänden tätig, um gemeinsam mit Wirtschaft und Verwaltung praxistaugliche Lösungen an der Schnittstelle zwischen Steuerrecht und IT zu erarbeiten. Stephan Greulich studierte in Nürnberg und Köln im Bereich des Steuerrechts und war für eine der Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften im Bereich “Tax & Legal” tätig.

 

Welche Compliance-Anforderungen der Finanzverwaltung müssen Unternehmen bei der Digitalisierung von Rechnungsausgang und Rechnungseingang beachten und erfüllen?

Greulich: Aus Compliance-Sicht bestehen seit der Einführung der GoBD klare Regelungen. Rechnungen in Papierform und elektronische Rechnungen sind umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich gleich zu behandeln. Alle Rechnungen müssen die entsprechenden Vorgaben erfüllen, insbesondere die Gewährleistung der Kriterien Authentizität, Integrität und Lesbarkeit. Darüber hinaus müssen die Pflichtangaben vollständig und richtig enthalten sein. Beim elektronischen Erstellungsprozess einer Rechnung und bei der Archivierung sowohl empfangener als auch erstellter Belege sind gesonderte GoBD-Anforderungen zu erfüllen.

Und welche technologischen Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, damit sie E-Rechnungen rechtskonform versenden, empfangen und verarbeiten können?

Greulich: Dafür gibt es keine expliziten Vorgaben, denn grundsätzlich sind elektronische Rechnungen technologieneutral. Jedoch liegen für die Ausgestaltung der elektronischen Rechnungsprozesse rechtliche Rahmenbedingungen vor. Hervorzuheben sind hier die Grundsätze der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit. Aber auch die Unveränderbarkeit der Daten muss für die Dauer der Aufbewahrung durch Verwendung entsprechender Software gewährleistet sein.

In Deutschland gibt es unterschiedliche technische Formate und eine Vielzahl von Übertragungsmöglichkeiten für Rechnungen. Die Auswahl wird meist durch den Leistungsempfänger spezifiziert. Damit er die nachgelagerten Prozesse möglichst automatisiert durchführen kann, sind gemeinsame Standards einzuhalten. Der Lieferant hat dadurch den Vorteil einer schnelleren Bezahlung.

“Softwarelösungen stellen durch integrierte Prozesse sicher, dass die technischen und rechtlichen Vorgaben eingehalten werden.”

So werden die Ausgangsrechnungen nach Erstellung durch das System unveränderbar abgespeichert und in einem Archiv abgelegt. Damit ist gewährleistet, dass ein Betriebsprüfer Jahre später die erstellte Rechnung lesen und prüfen kann.

Welche organisatorischen Anforderungen stellt die Implementierung elektronischer Prozesse in den Bereichen Rechnungseingang und -ausgang?

Greulich: Vor der Einführung von elektronischen Rechnungsprozessen müssen die spezifischen Anforderungen des Unternehmens analysiert werden.

“Viele unterschätzen, wie wichtig es ist, die Organisationsstrukturen zu berücksichtigen und die jeweiligen Fachbereiche im Betrieb einzubeziehen.”

Bei elektronischen Rechnungen sind zum Beispiel meist Informationen zu hinterlegen, um die nachgelagerten Prozesse medienbruchfrei zu steuern. So ist etwa bei der Abrechnung mit der öffentlichen Verwaltung eine Leitweg-Identifikationsnummer zu übermitteln, die die Rechnung in das entsprechende Dezernat beim Empfänger routet. Diese Leitweg-ID liegt dem Auftrag bei und muss der Abrechnungsstelle in der öffentlichen Verwaltung mitgeteilt werden. Dies ist nur eines von vielen Beispielen.

Eine gute Orientierung und Unterstützung bei der Analyse und Einführung von digitalen Geschäftsprozessen bietet der Bitkom. Er hat dafür ein passendes Reifegradmodell für digitale Geschäftsprozesse entwickelt, das die vier Themenfelder Technologie, Daten, Qualität und Organisation zur Prozessanalyse vorschlägt.

Elektronische Rechnungseingangsverarbeitung

Besonders großes Effizienzpotenzial steckt in der elektronischen Rechnungseingangsverarbeitung

 
Warum ist vor allem ein digitaler Rechnungseingang so wichtig für einen effizienten Workflow?

Greulich: Die Rechnungsausgangsdaten liegen in der Regel in der kaufmännischen Software bereits digital vor und können unmittelbar weiterverarbeitet werden. Im Rechnungseingang kommen dagegen meist ganz unterschiedliche Formate an: Papier, PDF bzw. unstrukturierte Daten, strukturierte Daten. Für jedes Format ist ein anderes Vorgehen notwendig, um die Daten GoBD-konform in die Finanzbuchhaltung zu überführen und sie zu archivieren. Das ist sehr aufwendig, deshalb ist es wichtig, auch den Rechnungseingang effizient zu gestalten. Papierbelege werden mit dem ersetzenden Scannen digital erfasst und in eine Lösung zur Rechnungseingangsverarbeitung übertragen.

“Die Digitalisierung des Rechnungseingangs bietet sich als Einstieg dafür an, die eigenen kaufmännischen Prozesse zu modernisieren.”

So wie vor dreißig, vierzig Jahren die Betriebe von Schreibmaschine auf PC umgestiegen sind, bringt ihnen heute der Umstieg auf durchgängig digitale Prozesse einen Effizienzgewinn.

Besonders effizient ist der elektronische Rechnungseingang dann, wenn Rechnungen in einem strukturierten Standardformat automatisiert ausgetauscht werden. Hierfür stehen ZUGFeRD 2.1 oder XRechnung zur Verfügung. Auf welches Format sollten KMU setzen?

Greulich: Die Auswahl eines Formats und des entsprechenden Übertragungskanals hängt vom Reifegrad der Digitalisierung auf Seiten des Rechnungsempfängers ab. Es gibt Prozesse, die End-to-End einen hohen Automatisierungsgrad besitzen und somit rein auf dem Austausch von strukturierten Daten basieren.

In Klein- und Kleinstbetrieben sind dagegen oft noch viele manuelle Schritte in der Eingangsrechnungsverarbeitung üblich. Um diese Vielzahl von Anforderungen abzudecken und branchenübergreifend die Inhalte einer Rechnung zu definieren, hat das Forum elektronische Rechnung Deutschland das ZUGFeRD-Format entwickelt und bereits in der Version 2.1 veröffentlicht.

Das ZUGFeRD-Format ist als hybride Datei ausgestaltet. Das heißt, die ZUGFeRD-Rechnung enthält eingebettet in der menschenlesbaren PDF/A-3-Datei auch noch die maschinenlesbare XML-Datei, die eine medienbruchfreie Verarbeitung der Rechnungsdaten ermöglicht.

“Empfänger von hybriden ZUGFeRD-Rechnungen haben somit die Möglichkeit, die PDF-Datei oder die strukturierten XML-Daten der Rechnung im Unternehmen zu verarbeiten.”

Um die Anforderungen an die elektronische Rechnungsstellung an die öffentliche Verwaltung zu erfüllen, gibt es zusätzlich das XRechnung-Format. Dabei handelt es sich um ein rein XML-basiertes Datenformat, das erst über ein separates Visualisierungstool für das menschliche Auge lesbar wird. Beide Formate, ZUGFeRD und XRechnung, erfüllen die Anforderungen der europäischen Norm 16931 für die elektronische Rechnung an die öffentliche Verwaltung in Deutschland.
 
Lesen Sie auch:
>> Sieben Gründe für elektronische Rechnungseingangsverarbeitung
>> Rechnungen richtig archivieren – so erfüllen Sie die GoBD-Anforderungen
>> E-Rechnungen rechtskonform austauschen – die wichtigsten Regeln
 
Bildquellen: Andrey Popov – stock.adobe.com (Beitragsbild ganz oben), opolja – iStockphoto.com, DATEV (Porträt)