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HS News Gesetzliches Wissenswertes

"Die GoBD richten den Fokus auf die Unternehmens-IT"

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Seit dem 1. Januar 2015 gelten die GoBD. Die neuen Vorschriften zur Ordnungsmäßigkeit der digitalen Buchführung und der elektronischen Archivierung haben die bisherigen Regelungen (GDPdU und GoBS) abgelöst. Experte Thorsten Brand erläutert, welche Anforderungen die GoBD insbesondere an die IT-gestützten Prozesse in Unternehmen stellen.

Herr Brand, mit den GoBD vom 14. November 2014 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ältere Vorschriften zur digitalen Buchführung zusammengefasst und konsolidiert. Wird hier alter Wein in neuen Schläuchen serviert? Oder: Was ist neu an den GoBD?

Thorsten Brand: Wenn man den Aussagen des BMF folgt, gibt es keine neuen Anforderungen, sondern nur eine Zusammenfassung vorhandener Regelungen, wie vorherige BMF-Schreiben und Fragen-und-Antworten-Kataloge. Tatsächlich ersetzen die GoBD die in die Jahre gekommenen GoBS von 1995 und die Anforderungen an den Datenzugriff (GDPdU) von 2001. Es ist auch sinnvoll, diese Dinge zusammenzufassen, da es viele Themen gibt, die sowohl etwas mit Ordnungsmäßigkeit im Allgemeinen zu tun haben als auch mit dem Datenzugriff im Rahmen einer Betriebsprüfung. Beispiele hierfür sind der Prüferzugriff auf archivierte Dokumente oder die maschinelle Auswertbarkeit von e-mails. An vielen Stellen werden in den GoBD die Anforderungen mit Beispielen erläutert oder es erfolgt ein Verweis auf finanzrechtliche Urteile. Das ist neu und hilfreich, um auch Analogieschlüsse zu ermöglichen. Aber auch auf Sonderthemen, wie den Umgang mit Kassendaten, elektronische Rechnungen oder die Belegsicherung, wenn die Buchhaltung beim Steuerberater erfolgt, wird eingegangen. Interessant ist, dass technische Vorgaben und Standards, insbesondere aufgrund der schnellen technischen Entwicklung, nicht festgeschrieben werden sollen. Es werden daher keine konkreten technischen Anforderungen definiert und die Möglichkeit von Analogieschlüssen explizit am Beispiel von Papier und elektronischen Unterlagen erwähnt.

Eines stellen die GoBD noch einmal klar: Die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit trägt allein der Steuerpflichtige.

Worin bestehen die wesentlichen Herausforderungen bei der Umsetzung der GoBD durch die Unternehmen?

Für Unternehmen bleibt es in dieser wechselhaften Welt nach wie vor schwierig, Daten, Auswertungsmöglichkeiten und Systeme über einen Zeitraum von zehn Jahren verfügbar zu machen. Das ist technisch komplex und mit Kosten verbunden. Nehmen Sie nur ein Unternehmen, welches verkauft und reorganisiert wird und dessen ERP- und Buchführungsanwendungen abgelöst werden. Und dann kommt nach zehn Jahren ein Steuerprüfer und will alle Auswertungsmöglichkeiten von damals. Und dann kommt nach zehn Jahren ein Steuerprüfer und will alle Auswertungsmöglichkeiten von damals. Diese Anforderungen sind allerdings nicht neu und haben sich durch die GoBD auch nicht verändert. Hier muss ein Mittelweg gefunden werden, der es erlaubt, Dinge nach wie vor auswertbar und nachvollziehbar bereitzustellen, der aber auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. In Abstimmung mit den Betriebsprüfern lassen sich solche Kompromisse aber oft finden. So kann auch in einem Dokumentenmanagementsystem (DMS) nach e-mails gesucht werden. Und wenn man steuerrelevante Daten nicht mehr aus der Originalanwendung bereitstellen kann, sondern aus einem anderen System, und der Prüfer diese einfach verarbeiten kann, ist das kein Prüfungsnachteil. Eines stellen die GoBD aber noch einmal klar: Die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit trägt allein der Steuerpflichtige. Dies gilt auch bei einer teilweisen oder vollständigen organisatorischen oder technischen Auslagerung an Dritte.

Inwieweit wirken sich die neuen Vorgaben auf die Unternehmens-IT aus? Welche Bereiche / Systeme sind betroffen? Wer sollte jetzt handeln und gegebenenfalls seine betriebliche Praxis anpassen?

Wie schon festgestellt: Der Fokus liegt massiv auf der Unternehmens-IT, insbesondere auf buchhaltungsnahen Systemen. Hier nehmen die GoBD auch klar Stellung und zählen viele der betroffenen Anwendungen auf: Finanzbuchführungssysteme, Anlagen- und Lohnbuchhaltungssysteme, aber auch Kassensysteme, Warenwirtschaftssystem, Zahlungsverkehrssystem, Materialwirtschaft, Fakturierung, Zeiterfassung oder Branchenanwendungen wie Taxameter, Geldspielgeräte und elektronische Waagen werden erwähnt. Explizit werden auch Archivierungsanwendungen, also DMS- Produkte,genannt, da diese häufig für die Aufbewahrung von steuerrelevanten Dokumenten und Daten eingesetzt werden. Die Anwendungen und deren Auswertungsmöglichkeiten müssen erhalten bleiben. Auch sollten Konvertierungs- und Konsolidierungsverfahren noch einmal dahin gehend bewertet werden, ob hier Daten auf der Strecke bleiben oder bei der Umwandlung ein Verlust an Daten oder Auswertungsmöglichkeiten erfolgt. Hier liefern die GoBD viele Beispiele. Eine weitere wichtige Anforderung der GoBD sollte betriebsintern geprüft werden: Es geht um die Aufbewahrung von steuerlich relevanten Dateien. Wenn diese nur auf Netzwerklaufwerken liegen und somit beliebig geändert werden könnten, sollte man an diesem Verfahren – also insbesondere an dem Speicherort – etwas ändern. Man muss jetzt nicht gleich ein DMS mit einem unveränderbaren Speichersystem kaufen, aber möglicherweise ist eine regelmäßige Sicherung auf einmalbeschreibbaren Medien oder ein zusätzlicher Ausdruck ein hilfreiches Mittel, um einem Prüfer zu erläutern, dass sich an den Daten nichts geändert hat.

Die GoBD legen großen Wert auf eine Verfahrensdokumentation im Unternehmen.

Wie sollten Unternehmer bei der Umsetzung der GoBD-Anforderungen vorgehen?

Erst einmal überhaupt tätig werden. Die Anforderungen zum Datenzugriff gibt es seit 2001. Da kann man nicht mehr behaupten, man habe das nicht gewusst. Wichtig ist es, vorbereitet zu sein. Der Prüferzugriff auf die betroffenen Anwendungen sollte organisiert und die dauerhafte Verfügbarkeit der steuerrelevanten Daten sichergestellt werden. Vielleicht ist ein kleines Projekt hierzu hilfreich, bei dem man sich noch einmal die steuerrelevanten Anwendungen und Dateien anschaut und die Anforderungen der GoBD danebenlegt. Dann sind je Anwendung die Szenarien durchzuspielen, dass ein Prüfer den Zugriff wünscht oder dass er die Daten und Dokumente gern mit seinen Systemen auswerten möchte. Hier kann man dann die internen Regelungen und Zuständigkeiten für diese Anforderungen erstellen, prüfen und bei Bedarf anpassen. Die Ergebnisse und Festlegungen hieraus sollten in einer Verfahrensdokumentation festgehalten werden, da die GoBD hierauf großen Wert legen. Der Begriff wird im BMF-Schreiben häufig erwähnt und es wird schnell klar, dass es sich hierbei nicht nur um die Handbücher der Buchhaltungsanwendung handelt. Dem Prüfer soll mit der Verfahrensdokumentation klargemacht werden, wie die Anforderungen an Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit, Unveränderbarkeit und Ordnung für die Buchführung umgesetzt sind. Mittlerweile gibt es zu den GoBD umfassende erläuternde Literatur, die einem bei der Umsetzung weiterhilft. Von Branchenverbänden und Beraterseite gibt es zudem Leitfäden und Checklisten, Vorschlagslisten zu den steuerrelevanten Daten, anwendungsspezifische Dokumentationen für die Einrichtung des Prüferzugriffs, Musterarbeitsanweisungen und Gliederungsvorschläge für Verfahrensdokumentationen.

Wenn Sie die GoBD insgesamt betrachten: Ist der Finanzverwaltung damit der große Wurf in Richtung Modernisierung gelungen oder sehen Sie weiteren Anpassungsbedarf?

Im Vergleich zu anderen BMF-Schreiben enthalten die GoBD viele gute und praktikable Formulierungen. Wir als DMS-Berater haben zwar nur den Fokus auf BMF-Schreiben zum Thema Aufbewahrung, aber selbst in diesem Bereich gab es in der Vergangenheit Anforderungen, bei denen man sich nur wundern konnte. Die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung und Verfügbarmachung von steuerrelevanten Daten bleiben immer noch umstritten. Daran können auch die GoBD nichts ändern. Es gibt immer noch keine verbindliche Liste der steuerrelevanten Daten. Und nach wie vor müssen Daten zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Alle Auswertungsmöglichkeiten müssen über diesen Zeitraum zur Verfügung gestellt und eine Dokumentation verfasst werden, ohne die Unternehmen auch gut leben könnten. Trotzdem denke ich, dass die GoBD ein wichtiges Dokument für den Umgang mit steuerrelevanten Daten sind. Anwendern und Herstellern tut es gut, eine möglichst konkrete und konsistente Definition von Anforderungen zu haben – ob man diese nun gut findet oder nicht. Sind aber die Anforderungen klar und verständlich, hilft das immer bei der internen Umsetzung.

Interview Thorsten Brand

Thorsten Brand ist seit 1992 als Berater in den Bereichen elektronische Archivierung und Dokumentenmanagement tätig. Seine Spezialgebiete sind die organisatorische Einführungsbegleitung, rechtliche Fragen sowie Verfahrensdokumentationen. Brand ist Mitglied des Arbeitskreises Compliance im IT-Branchenverband Bitkom und Mitarbeiter einer Arbeitsgruppe in der AWV zur Erarbeitung von regulatorischen Rahmenbedingungen zur elektronischen Archivierung. Seit 2000 ist er Senior-Berater bei der Zöller & Partner GmbH.