10 Gründe, warum ERP-Projekte scheitern
Immer wieder kommt es vor, dass Unternehmen die Einführung einer Software für Enterprise Resource Planning (ERP) abbrechen oder aber mit dem Ergebnis später unzufrieden sind. Dabei sind es meist die gleichen vermeidbaren Fehler, die ERP-Projekte scheitern lassen. Dieser Beitrag listet sie auf und gibt Tipps zur Fehlervermeidung.
Wozu brauchen Sie ein ERP-System? Diese Frage klingt banal, aber sie trifft den Kern des Problems, dessentwegen ERP-Projekte scheitern. Um die Frage zu beantworten, müssen Sie Ihre Prozesse und Anforderungen genauestens kennen, inklusive der Erwartungen der Endanwender und Führungskräfte. Und das ist erst der Anfang. Sie müssen minutiös planen, hervorragend kommunizieren, den richtigen Partner wählen und immer schön agil bleiben. Doch lesen Sie selbst: Hier sind zehn Gründe, warum ERP-Projekte scheitern können – und einige praxisnahe Tipps, wie Sie diese Hürden meistern können.
1. Unklare Zielsetzung lässt ERP-Projekte scheitern
Hier kommen wir direkt auf die Eingangsfrage zurück: das große “Warum”. Prozesse optimieren, wettbewerbsfähig bleiben, Kosten sparen – all diese oft gehörten Antworten sind viel zu abstrakt. Schauen Sie deshalb genau hin: Wo wird doppelte Arbeit getan, an welchen Stellen hakt es, wo sitzt der Schmerz? Möchten Sie den Einkauf und die Warenwirtschaft besser koordinieren? Den Angebots- und Auftragsprozess automatisieren? Bessere Forecasts erstellen, um Fehlentscheidungen zu minimieren? Wo immer es möglich ist, sollten Sie sogenannte SMARTe Ziele definieren: spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch, terminiert. Also beispielsweise: “Ich will die Durchlaufzeit von Angebots- und Auftragsprozessen in sechs Monaten um 20 Prozent senken.” Rechnen Sie aus, welche Vorteile Ihnen das bringt und erstellen Sie ein Lastenheft.
2. Prozesse nicht richtig aufgenommen
Prozesse durchziehen Ihr gesamtes Unternehmen: Marketing und Kundenakquisition, Angebote und Aufträge, Einkauf und Verkauf, Personalwesen, Lager, Produktion, Logistik, Buchführung und Rechnungslegung, Entscheidungsfindung und Berichtswesen. Ein ERP-System wird im Idealfall die meisten Prozesse integrieren und abbilden. Dies ermöglicht eine höhere Arbeitseffizienz und Transparenz.
Damit das gelingt, müssen Sie Ihre Prozesse genau aufzeichnen und analysieren. Dazu benötigen Sie tiefe Einblicke in die einzelnen Funktionen. Aber einen Prozess, den Sie nicht kennen, können Sie auch nicht optimieren, geschweige denn in einer Software abbilden. Viele ERP-Projekte scheitern daran, dass diese grundlegende Arbeit nicht oder nur oberflächlich im Vorfeld geleistet wurde.
3. Die Verschwendungsarten nicht richtig identifiziert
Das Lean Management kennt innerhalb der Wertschöpfungskette folgende Verschwendung in folgenden Bereichen:
- Transport – Produkte und Materialien werden unnötig hin- und herbewegt.
- Bestände – Sie halten überflüssige Vorräte.
- Bewegung – Ihre Mitarbeiter machen am Arbeitsplatz überflüssige Bewegungen oder legen unnötige Wege zurück.
- Wartezeit – Ein Teilprozess kann nicht starten, weil der Vorläuferprozess nicht fertig ist.
- Überproduktion – Sie stellen mehr Produkte und Leistungen her als benötigt werden.
- Falsche Technologie/Prozesse – Im Lager oder in der Administration laufen Dinge zu kompliziert oder mit vorsintflutlichen Methoden ab.
- Ausschuss/Nacharbeit – Die Qualität stimmt nicht; ein Teil Ihrer Arbeit muss später aussortiert oder mühsam korrigiert werden.
Jedes Unternehmen hat einen oder mehrere dieser Mängel. Die gute Nachricht ist: Alle diese Probleme lassen sich mit einem ERP-System in den Griff bekommen und beheben. Aber zuvor müssen Sie sie richtig identifizieren, notfalls gegen den Widerstand der Beschäftigten, die sich nicht gern bei Fehlern erwischen lassen.
4. Mangelnde Unterstützung durch die Führungsebene
Es ist extrem wichtig, dass die Geschäftsführung das ERP-Projekt unterstützt. Manche Führungskräfte machen sich über die Digitalisierung Illusionen; sie halten ein ERP-System für ein Allheilmittel. Andere wiederum zögern und fragen, wozu das gut sein soll, ob es nicht auch eine Nummer kleiner oder billiger geht, und überhaupt: Wir haben das immer schon so gemacht, never change a running system.
Egal, welche dicken Bretter Sie bohren müssen: Tun Sie es! Wenn Sie die ersten beiden Punkte beachtet, Prozessmängel erkannt, mögliche Verbesserungen identifiziert und ein Lastenheft erstellt haben, dann haben Sie gute Argumente. Informieren Sie Ihre Führungsebene genau über das, was möglich und nötig ist, und erklären Sie, wie ein ERP-System gerade die Unternehmensführung in ihren Entscheidungen unterstützt.
5. Kritik wird nicht gehört
Viele ERP-Projekte scheitern, weil eine Person oder ein kleiner Kreis sie als ihr “Baby” betrachtet und sich nicht hineinreden lassen will. Aber jede Person, vom Chef bis zum Pförtner, hat Einblicke in ihren Bereich, weiß genau, was gut funktioniert und was nicht. Profitieren Sie von diesem spezifischen Wissen. Kritik und Vorschläge verdienen Wertschätzung. So gewinnen Sie auch die Sympathie der Beteiligten für das ERP-Projekt.
6. Mangelnde Einbindung der Anwender ins ERP-Projekt
Es sind die Menschen in Ihrem Unternehmen, die mit der ERP-Software arbeiten werden. Diese Menschen müssen Sie frühzeitig mit ins Boot holen. Es gibt im Lean Management den Begriff “Gemba”. Das japanische Wort bedeutet sinngemäß: Gehen Sie zum Ort des Geschehens und sehen Sie selbst nach. Holen Sie sich aus allen Unternehmensfunktionen Input: Über welche Missstände klagen die Menschen, welche Entlastungen wünschen sie sich? Die Mitarbeitenden, die tagtäglich mit Doppelarbeit und fehleranfälligen Prozessen kämpfen, sind Ihre wertvollste Informationsquelle: Lassen Sie sich alles genau schildern und werben Sie für die Software, die den Betroffenen letztlich Erleichterung bringen soll.
In der Implementierungsphase werden Ihnen diese Mitarbeitenden abermals wertvolles Feedback geben, um Feineinstellungen an der ERP-Lösung vorzunehmen und maximalen Gewinn herauszuholen.
7. Anforderungen der Zukunft nicht berücksichtigt
Damit Ihr ERP-Projekt nicht scheitert, sollten Sie auch einen Blick in die Zukunft werfen: Werden Sie absehbar eine Auslandsniederlassung eröffnen? Dann benötigen Sie eine mehrsprachige Lösung. Werden Sie einen Konkurrenten übernehmen? Dann müssen sie mehrere Gesellschaften in der Software abbilden können. Werden Sie die Art Ihrer Produkte oder Geschäftsmodelle ändern? Werden Sie wachsen? Dann muss Ihre ERP-Software horizontal und vertikal skalierbar sein. Achten Sie darauf, dass Ihr ERP-Projekt nicht nur das Heute berücksichtigt.
8. Auswahl des falschen Softwareanbieters
Der Markt für ERP-Software ist unübersichtlich. Manche Anbieter versprechen mehr als sie halten – besonders die jungen und unerfahrenen, aber mitunter besonders preisgünstigen. Suchen Sie einen ERP-Anbieter, der schon erfolgreich mit anderen, vergleichbaren Unternehmen Ihrer Branche arbeitet. Fragen Sie nach Referenzkunden.
Ihr ERP-Anbieter soll langfristig Ihr Partner sein. Davon hängt ein Gutteil Ihres Geschäftserfolgs ab. Kann er die Software für Sie konfigurieren, Ihre Mitarbeiter schulen, Ihre Anforderungen langfristig abdecken? Bietet er alle Module an, die Sie benötigen? Wie ist der Service für Bestandskunden? Können Schnittstellen für die Integration in Ihre bestehende Softwarelandschaft programmiert werden?
9. Fehlplanung beim Kosten- und Zeitrahmen des ERP-Projekts
Oft werden Budgets und Zeitrahmen festgelegt, ehe überhaupt klar ist, was eigentlich genau geleistet werden soll. Deshalb eilt ERP-Projekten häufig der Ruf voraus, regelmäßig den Kosten- und Zeitrahmen zu sprengen.
Sobald Sie einen genauen Überblick über Ihre Anforderungen, Prozesse und Prioritäten haben, sollten Sie mit einem erfahrenen Softwareanbieter einen realistischen Zeitplan für die Einführung Ihrer neuen Software erarbeiten. So bekommen Sie schon im Vorfeld eine ziemlich genaue Vorstellung von den Kosten. Damit bleiben Ihnen böse Überraschungen erspart.
10. Mangelnde Agilität bei der ERP-Einführung
Bei einer komplexen Softwareeinführung ist der Projektplan nicht in Stein gemeißelt. Oft tauchen im Rahmen der Einführung Herausforderungen oder neue Anforderungen auf. Für manche Anforderungen müssen Sie gemeinsam mit dem Serviceteam Ihres Softwareanbieters einen Workaround finden. Es ist ganz normal, dass diese Situationen auftreten. Gehen Sie agil an die Softwareeinführung heran, immer einen Prozess nach dem anderen, ein Modul nach dem anderen, immer nach dem Motto: Plan-Do-Check-Act. Auf diese Weise können Sie bei der Implementierung die Funktionalitäten optimal justieren und aufeinander abstimmen.
Wichtig ist, dass Sie klare Prioritäten bei den Anforderungen setzen. Wenn Sie die Must-haves abgearbeitet haben, kommen die weniger wichtigen Punkte an die Reihe.
Fazit
Viele ERP-Projekte scheitern im Wesentlichen an drei Faktoren: Planungsmängel, Kommunikationsmängel und falsche Wahl des Softwareanbieters. Holen Sie daher alle Beteiligten mit ins Boot, zeichnen Sie Prozesse und Anforderungen genau auf, definieren und priorisieren Sie Ihre Ziele. Wählen Sie außerdem einen Softwareanbieter, der über die nötige Erfahrung verfügt und eine skalierbare ERP-Lösung im Gepäck hat. Dann kann nichts mehr schiefgehen.
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Dorothea Heymann-Reder schreibt Blogbeiträge, Ratgeberartikel und Whitepaper für Software- und Beratungsfirmen. Ihre Fachartikel behandeln unter anderem Unternehmenssoftware, Digitalisierung und Automatisierung von Betriebsabläufen sowie Compliance-Themen.