Qualifizierungsgeld beantragen: Weiterbildung statt Kündigung

Qualifizierungsgeld beantragen: Was Arbeitgeber zur neuen Entgeltersatzleistung wissen müssen

Die Digitalisierung und die Energiewende stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Um Arbeitsplätze zu sichern und Beschäftigte für die neuen Anforderungen fit zu machen, hat die Bundesregierung zum 1. April 2024 das Qualifizierungsgeld eingeführt. Die neue Lohnersatzleistung soll Betrieben dabei helfen, vom Strukturwandel betroffene Arbeitnehmer durch Weiterbildungen im Unternehmen zu halten. Doch wie funktioniert das Qualifizierungsgeld genau? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein und wie beantragen Arbeitgeber die finanzielle Unterstützung?

Was ist das Qualifizierungsgeld?

Das Qualifizierungsgeld ist eine Entgeltersatzleistung, die in ihrer Funktionsweise dem Kurzarbeitergeld ähnelt. Es wurde mit dem “Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung”, kurz: Weiterbildungsgesetz, im Sommer 2023 eingeführt. Seit dem 1. April 2024 können Arbeitgeber, deren Mitarbeiter vom Strukturwandel betroffen sind, diese Leistung für ihre Beschäftigten beantragen.

Die Zielsetzung des Qualifizierungsgeldes ist es, Arbeitsplätze zu erhalten, indem Mitarbeiter durch Weiterbildungsmaßnahmen die erforderlichen Qualifikationen für die sich wandelnden Anforderungen erlangen. Voraussetzung für den Bezug der Entgeltersatzleistung ist, dass die Fortbildung die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers beim aktuellen Arbeitgeber ermöglicht.

Wer hat Anspruch auf Qualifizierungsgeld?

Anspruch auf Qualifizierungsgeld haben Arbeitnehmer, die aufgrund des Strukturwandels eine Weiterbildung absolvieren müssen und hierdurch Einkommenseinbußen erleiden. Dabei spielen weder die Größe des Unternehmens noch das Alter oder die bisherigen Qualifikationen der Beschäftigten eine Rolle.

Ein typisches Beispiel sind Unternehmen der Automobilbranche: Wenn die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Elektroantriebe umgestellt wird, benötigen die Mitarbeiter neue Kenntnisse, um weiterhin in ihrem Betrieb arbeiten zu können. Für die erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen kann der Arbeitgeber das Qualifizierungsgeld beantragen.

Welche Voraussetzungen gelten für den Bezug der Leistung?

Die entscheidende Voraussetzung für den Bezug von Qualifizierungsgeld ist ein Qualifizierungsbedarf, der seine Ursache im Strukturwandel hat. Dieser Bedarf muss einen wesentlichen Anteil der Belegschaft betreffen:

Gesamtzahl der MitarbeiterBetroffener Anteil der Belegschaft
ab 250 Beschäftigtenmindestens 20 Prozent
unter 250 Beschäftigtenmindestens 10 Prozent

Unternehmen müssen den Qualifizierungsbedarf in einer betrieblichen Regelung festhalten. Alternativ besteht die Möglichkeit, eine entsprechende Regelung in einem Tarifvertrag zu verankern. Beschäftigt ein Betrieb weniger als zehn Mitarbeiter, reicht eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers über den bestehenden Qualifizierungsbedarf aus.

Um das Qualifizierungsgeld erfolgreich beantragen zu können, müssen Unternehmen zusätzlich folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Umfang: Die Weiterbildung muss mehr als 120 Stunden umfassen. Diese können aber auf mehrere Blöcke aufgeteilt werden. Es spielt keine Rolle, ob die Weiterbildung in Voll- oder Teilzeit absolviert wird. Auch berufsbegleitende Modelle sind möglich.
  • Zulassung: Die Weiterbildung muss von der Zulassungsstelle für die Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) zugelassen sein.
  • Inhalt: Die zu absolvierende Weiterbildung muss über rein arbeitsplatzbezogene Kenntnisse hinausgehen und darf keine kurzfristige Anpassungsqualifizierung darstellen. Laut Bundesagentur für Arbeit schließt dies beispielsweise Schulungen für den Umgang mit betriebsspezifischen Softwarelösungen von der Förderung aus.
  • Zustimmung: Die Beschäftigten müssen der Weiterbildung zustimmen.
  • Antragstellung: Der Antrag muss rechtzeitig, mindestens drei Monate vor Beginn der Weiterbildung, bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt werden.
  • Kostenübernahme: Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten für die Weiterbildung.

 

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Wie berechnet sich die Höhe des Qualifizierungsgelds?

Das Qualifizierungsgeld beträgt 60 Prozent der durchschnittlichen Nettoentgeltdifferenz. Bei Eltern von mindestens einem Kind erhöht es sich auf 67 Prozent. Bei der Nettoentgeltdifferenz handelt es sich um den Unterschied zwischen dem beitragspflichtigen Nettoentgelt im Referenzzeitraum (Soll-Entgelt) und dem verringerten Arbeitsentgelt während der Weiterbildung (Ist-Entgelt). Der Referenzzeitraum ist der letzte Entgeltabrechnungszeitraum. Dieser muss spätestens drei Monate vor dem Beginn der Weiterbildung abgerechnet worden sein.

Rechenbeispiel:

Ein Mitarbeiter verdient bei einer 40-Stunden-Woche regulär 2.200 Euro netto im Monat. Infolge der Weiterbildung arbeitet er nur noch 25 Stunden pro Woche und erhält deshalb lediglich ein Entgelt von 1.375 Euro. Die Nettoentgeltdifferenz beträgt 825 Euro (2.200 Euro – 1.375 Euro).

Das Qualifizierungsgeld beträgt 60 Prozent von 825 Euro, also 495 Euro. Hat der Mitarbeiter mindestens ein Kind, erhöht sich der Betrag auf 552,75 Euro (67 Prozent von 825 Euro). Der Gesamtverdienst während der Qualifizierung beträgt also 1.870 Euro (ohne Kind) bzw. 1.927,75 Euro (mit Kind). Der Arbeitgeber zahlt den Betrag an den Arbeitnehmer aus und erhält ihn anschließend von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.

Darf der Arbeitgeber das Qualifizierungsgeld aufstocken?

Da das Qualifizierungsgeld lediglich 60 beziehungsweise 67 Prozent der Nettoentgeltdifferenz abdeckt, verbleibt eine Lücke zum regulären Nettogehalt des Arbeitnehmers. Diese Lücke können Arbeitgeber durch eine zusätzliche Aufstockung schließen, ohne dass dieser Betrag auf das Qualifizierungsgeld angerechnet wird. Voraussetzung hierfür ist, dass die insgesamt an den Beschäftigten ausgezahlte Summe das reguläre Soll-Entgelt nicht übersteigt.

Bezogen auf das zuvor genannte Rechenbeispiel hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit, dem Mitarbeiter ohne Kinder eine anrechnungsfreie Aufstockung von 330 Euro zu zahlen (2.200 Euro reguläres Netto-Entgelt abzüglich 1.870 Euro Qualifizierungsgeld).

Wird ein Nebeneinkommen des Beschäftigten angerechnet?

Erfreuliche Nachricht: Übte der Arbeitnehmer seine Nebenbeschäftigung bereits im Referenzzeitraum aus, also vor Beginn der Weiterbildung, bleibt dieses Nebeneinkommen anrechnungsfrei. Wird die Nebentätigkeit jedoch erst nach dem Referenzzeitraum aufgenommen, gelten folgende Regelungen:

  • Angestellte: Nachdem die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie die Werbungskosten abgezogen wurden, gilt noch ein Freibetrag von 165 Euro. Darüber hinausgehende Beträge werden auf das Qualifizierungsgeld angerechnet.
  • Selbstständige: Bei einer selbstständigen Tätigkeit werden 30 Prozent der Einnahmen pauschal als Betriebsausgaben angesetzt. Für den verbleibenden Betrag gelten dieselben Regelungen wie für Angestellte.

Qualifizierungsgeld beantragen: So funktioniert’s

Das Qualifizierungsgeld beantragen Arbeitgeber bei der Bundesagentur für Arbeit direkt online. Hierfür laden sie auf der Website der Arbeitsagentur die erforderlichen Formulare herunter und füllen sie aus.

  • Antrag auf Qualifizierungsgeld: Angaben zum Betrieb, zur Weiterbildungsmaßahme und der Höhe des Qualifizierungsgeldes
  • Teilnehmerliste: Auflistung der teilnehmenden Personen (bei einer identischen Weiterbildungsmaßnahme reicht ein Antrag für mehrere Teilnehmer)
  • Abrechnungsliste: zur genauen Aufschlüsselung der Lohnzusammensetzung der Teilnehmer und damit der Berechnungsgrundlage des Qualifizierungsgeldes
  • Erklärung des Beschäftigten: Einverständniserklärung der Teilnehmer mit der Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme

Anschließend lädt der Arbeitgeber die ausgefüllten Formulare online bei der Bundesagentur für Arbeit hoch. Damit ist der Antrag erfolgreich gestellt. Dies muss mindestens drei Monate vor Beginn der Qualifizierungsmaßnahme erfolgen.


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