ERP-Einführung: Wie Sie am besten vorgehen
Die Einführung von Software für Enterprise Resource Planning (ERP) ist mehr als bloß ein IT-Projekt. Sie hat Einfluss auf die gesamte Organisation und die Prozesse eines Unternehmens. Daher sollte eine ERP-Einführung strukturiert vorbereitet und professionell durchgeführt werden. Worauf es dabei für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ankommt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Wenn kleine und mittelständische Unternehmen eine geeignete ERP-Software einführen, eröffnen sie sich zahlreiche Chancen. Unter anderem erhalten sie die Möglichkeit, ihre Prozesse schlanker und effizienter zu gestalten, Kosten zu senken und eine hohe Informationstransparenz zu realisieren. Dies versetzt sie in die Lage, kundenorientierter zu arbeiten sowie flexibler und krisenfester zu werden. Um die Potenziale zu erschließen, muss das ERP-System optimal zum Unternehmen, seiner Strategie, seinen Zielen und seinen fachlichen Anforderungen passen. Dies sicherzustellen, ist die Aufgabe der Vorbereitungsphase im ERP-Projekt. Der Grundstein für eine erfolgreiche ERP-Einführung wird somit schon sehr früh gelegt.
Die wichtigsten Schritte zur Vorbereitung einer ERP-Einführung
Im Wesentlichen sollten sich Unternehmen bei einer ERP-Einführung mit den folgenden vorbereitenden Schritten befassen:
Betrachten wir die oben genannten Punkte im Folgenden genauer.
ERP-System einführen: Zuerst klare, messbare Projektziele definieren
Die Basis jeder ERP-Einführung sollte eine genaue Zieldefinition sein. Denn nur, wenn allen Beteiligten klar ist, was mit der Implementierung der neuen Software erreicht werden soll, kann das Projekt in die passende Richtung gelenkt werden. Wichtig ist es hierbei, die langfristigen strategischen Ziele des Unternehmens zu betrachten. Diese können beispielsweise folgendermaßen lauten:
- Wachstum und Expansion (inklusive Eröffnung neuer Standorte)
- Optimierung und Automatisierung von Prozessen
- Effizienzsteigerung und Kostensenkung
- Entlastung der Mitarbeiter von unproduktiven Tätigkeiten
- Flexibilisierung von Arbeitsmodellen
- Vernetzung mit Lieferanten und Kunden
- E-Commerce-Integration
- Stärkere Kundenorientierung
- Digitalisierung der Produktion
- Etablierung neuer (digitaler) Services oder Geschäftsmodelle
Ausgehend von den Strategievorgaben lassen sich bereichsübergreifende und bereichsspezifische Ziele der ERP-Einführung formulieren. Diese sollten so beschrieben sein, dass sie von allen Projektbeteiligten verstanden werden. Ebenso sollten die Ziele messbar sein, indem sie quantifiziert werden.
Ein gut formuliertes Ziel könnte beispielsweise lauten: “Wir verkürzen die durchschnittliche Durchlaufzeit eines Auftrags (vom Angebot bis zur Rechnung) durch die ERP-Einführung um fünf Tage.”
Gibt es mehrere Ziele (was den Regelfall darstellt), sollten Prioritäten gesetzt werden. Oberste Priorität können etwa die Ziele mit dem höchsten finanziellen Potenzial erhalten.
Projektteam für die ERP-Einführung aufstellen
Wer eine ERP-Software einführen möchte, benötigt ein schlagkräftiges Projektteam mit ausreichender Entscheidungsbefugnis. Optimalerweise besteht es aus folgenden Personen:
- Mitglied der Geschäftsleitung → Schirmherrschaft, Vorgabe der Strategie, Zieldefinition, Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen, Rückendeckung
- Projektleiter → Planung, Steuerung, Koordinierung und Überwachung der ERP-Einführung mit geeigneten Methoden; Einhaltung von Terminen und Budgets gewährleisten
- IT-Manager → Koordination aller relevanten IT-Aktivitäten, technische Abstimmung mit dem ERP-Anbieter
- Anwender-Team → Mitarbeiter aus allen Fachbereichen, Praxisanforderungen einbringen, Dokumentationen erstellen
Um die Anforderungen der Fachanwender angemessen zu berücksichtigen, ist es üblich, einen Key-User pro Abteilung zu definieren. Dieser stellt sicher, dass die Prozesse seines Fachbereichs angemessen im ERP-System abgebildet und die benötigten Funktionen bereitgestellt werden. Außerdem dient er als Multiplikator, Trainer und Ansprechpartner für seine Kollegen.
Anforderungen analysieren und Lastenheft erstellen
Vor der Auswahl eines ERP-Systems müssen zunächst die Anforderungen geklärt werden. Dies erfolgt üblicherweise durch eine Aufnahme aller Prozesse. Hierbei geht es aber nicht darum, bloß die gegenwärtige Situation abzubilden. Hauptziel ist vielmehr, dass die Fachbereiche (einzeln und gemeinsam) die gewünschten (optimierten) Sollprozesse der Zukunft skizzieren. Auf dieser Grundlage kann das Unternehmen anschließend das sogenannte Lastenheft erstellen.
Das Lastenheft ist das wichtigste Dokument einer ERP-Einführung. Seine Aufgabe ist es, die fachlichen Anforderungen eines Unternehmens an eine ERP-Software so zu beschreiben, dass ERP-Hersteller auf dieser Basis ein Lösungskonzept und ein Angebot erstellen können.
Im Allgemeinen hat ein ERP-Lastenheft diese Bestandteile:
- Beschreibung des Unternehmens und seines Marktumfelds
- Skizzierung der aktuellen IT-Systemlandschaft (inkl. Anwenderzahl)
- Prozessorientierte Beschreibung der fachlich-funktionalen Anforderungen (inkl. Reporting und Schnittstellen)
- Terminplanung
- Ansprechpartner
Eine wichtige Regel für das Lastenheft lautet: Unternehmen sollten ihre Anforderungen, nicht jedoch deren Erfüllung beschreiben. Der genaue Lösungsweg sollte also offen bleiben. Vielmehr ist es die spätere Aufgabe der ERP-Anbieter, zu beschreiben, wie und mit mit welchen Funktionen sie die fachlichen Anforderungen umsetzen können.
Geeigneten Anbieter auswählen
Sobald das Lastenheft erstellt wurde, kann die Suche nach passenden ERP-Anbietern beginnen. Der erste Schritt ist hierbei die Erstellung einer sogenannten Longlist, welche häufig zwischen 10 und 20 Kandidaten umfasst. Für diese erste Vorauswahl ist es hilfreich, sich einen Überblick über den ERP-Markt zu verschaffen – beispielsweise über Web-Recherchen, Literatur und Messebesuche. Die wesentlichen Kriterien für die Vorauswahl sind:
- Grobe Übereinstimmung mit den wichtigsten Anforderungen des Lastenhefts
- Brancheneignung
- Passendes Betriebsmodell (Cloud vs. On-Premises)
Nun wird das Lastenheft an die Longlist-Kandidaten versendet. Deren Rückmeldungen sollten genau geprüft werden, um die Liste potenzieller Anbieter weiter einzugrenzen. Hierbei sind folgende Aspekte wichtig:
- Funktionale Abdeckung der Anforderungen
- Stärken und Schwächen der Anbieter
- Qualität und Schnelligkeit der Rückmeldung
- Zwischenmenschliche Chemie
Das Ziel ist die Erstellung einer Shortlist, auf der nur noch zwei bis fünf ERP-Systeme stehen. Die verbleibenden Anbieter werden nun zu Workshops eingeladen, in denen sie ihre Lösungen präsentieren. Sind alle Workshops abgeschlossen und liegen die Angebote vollständig vor, kann die finale Entscheidung für einen Anbieter getroffen werden. Der “Auserkorene” wird nun gebeten, ein Pflichtenheft zu erstellen. In diesem Dokument beschreibt er genau, wie er die Anforderungen aus dem Lastenheft technisch lösen möchte. Auf dieser Grundlage erfolgt später die Implementierung.
Projektplan mit realistischer Terminschiene aufstellen
Auf Basis des Pflichtenhefts kann nun gemeinsam mit dem Anbieter ein Projektplan für die ERP-Einführung aufgestellt werden. Wichtig ist es hierbei, Ziel- und Zwischentermine realistisch zu wählen und ausreichend personelle Ressourcen einzuplanen.
So läuft die ERP-Implementierung ab
Anhand des Pflichtenhefts beginnt der ERP-Anbieter (oder ein IT-Dienstleister) mit der technischen Umsetzung der ERP-Einführung. Er stellt das Ergebnis optimalerweise in Form einer Testumgebung bereit, die dem zukünftigen Echtsystem möglichst nahekommt. Gerade die Key-User sollten bereits frühzeitig auf dieses Testsystem zugreifen können, um Schwachstellen rechtzeitig zu identifizieren.
Datenmigration: Altlasten im Vorfeld beseitigen
Parallel sollten die Daten der bisherigen Systeme für die Migration vorbereitet werden. An dieser Stelle bietet es sich an, den Datenbestand zu bereinigen. Das Ziel sollte es dabei sein, keine veralteten, irrelevanten und inkonsistenten Datensätze in das neue ERP-System zu überführen. Schließlich sollten die bereinigten Daten in das Testsystem importiert werden. Damit lässt sich einerseits evaluieren, ob sie das richtige Format haben. Andererseits lassen sich die Prozesse dann mit realistischen Daten testen.
Anwender praxisorientiert schulen
Während die Prozesse konfiguriert und die Daten vorbereitet werden, sollte die Schulung der späteren Anwender erfolgen. Bewährt hat sich dabei das Train-the-Trainer-Prinzip. Die Reihenfolge kann sich folgendermaßen darstellen:
- Allgemeine Schulung des Projektteams durch den ERP-Anbieter
- Intensive Schulung der Key-User durch den ERP-Anbieter
- Schulung der Endanwender durch die Key-User (ggf. begleitet durch ERP-Anbieter oder externen Berater)
Wichtig ist in jedem Fall, die Trainings prozess- und praxisbezogen aufzubauen und anhand realistischer Vorgänge mit dem System zu üben. Auch sollten (nochmals) die Vorteile des neuen Systems betont werden, um die Akzeptanz zu steigern.
Finaler Test und Go-live
In dieser letzten Phase der ERP-Einführung wird die neue Software nochmals umfassend, mit realen Daten und unter Einbeziehung der Key-User getestet. Es werden alle Prozesse, die im Vorfeld definiert wurden, durchlaufen. Ebenso werden alle bereitgestellten Funktionen in verschiedenen Zusammenhängen erprobt.
Sind alle Tests erfolgreich verlaufen, ist das Ziel erreicht: Das neue System kann in den Produktivbetrieb gehen und die ERP-Einführung ist abgeschlossen. Ab jetzt gilt es, die Möglichkeiten des Systems voll auszuschöpfen und zukünftig bereitgestellte Updates zu nutzen, um die eigenen Prozesse kontinuierlich zu verbessern.
Fazit: ERP-Einführung erfordert gewissenhafte Herangehensweise
In Summe wird deutlich: Wer ein ERP-System einführen möchte, muss zahlreiche Aspekte beachten. Dies beginnt bereits in der Vorbereitungsphase, in der es vor allem auf eine genaue Ziel- und Anforderungsdefinition sowie auf eine professionelle Anbieterauswahl ankommt. Weiterhin wird der Erfolg einer ERP-Einführung maßgeblich durch eine gute Datenmigration, eingehende Tests und gezielte Trainings beeinflusst. Wer sich diese Punkte jedoch zu Herzen nimmt, wird eine ERP-Software einführen, die ihm auf lange Sicht Wettbewerbsvorteile verschafft und somit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichert.
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