Neuer Mindestlohn und angepasste Geringfügigkeitsgrenzen: Was ändert sich für Arbeitgeber?
Seit Oktober 2022 gilt in Deutschland ein neuer gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 12 Euro brutto pro Stunde. Die Fachanwälte Dr. Volker Vogt und Merle Kulbach erläutern in diesem Gastbeitrag, welche Auswirkungen die Anhebung auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse hat.
Die Bundesregierung hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns angekündigt. Im Juni 2022 haben Bundestag und Bundesrat den Mindestlohn – abweichend vom üblichen Erhöhungsverfahren – einmalig per Gesetz angehoben. Seit Oktober 2022 müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten, statt bisher 10,45 Euro, mindestens 12 Euro brutto pro Zeitstunde zahlen. Auf den gesetzlichen Mindestlohn kann nicht durch vertragliche Regelungen verzichtet werden.
Künftige Anpassungen des Mindestlohns sollen wieder durch die Mindestlohnkommission, die normalerweise für die Anpassungen des Mindestlohns zuständig ist, vorgenommen werden. Die erste Anpassung soll am 30. Juni 2023 mit Wirkung zum 1. Januar 2024 erfolgen.
Wie wirkt sich der höhere Mindestlohn auf Minijobs und Midijobs aus?
Minijobs
Die Anhebung des Mindestlohns hat Auswirkungen auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die sogenannten Minijobs. Bisher waren die geringfügigen Beschäftigungen bis zu einem monatlichen Entgelt von 450 Euro sozialversicherungsfrei. Diese Entgeltgrenze hebt der Gesetzgeber im Zuge der Mindestlohnerhöhung ebenfalls an, und zwar auf 520 Euro im Monat. Die höhere Verdienstgrenze soll Minijobbern eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum neuen 12-Euro-Mindestlohn ermöglichen.
Midijobs
Auch der Übergangsbereich (sogenannte Midijobs, früher: Gleitzone) ist von der Mindestlohnerhöhung betroffen. Also Personen, die ein monatliches Entgelt von 450,01 Euro bis 1.300 Euro erhalten. Mit der Einführung des 12-Euro-Mindestlohns steigt die Entgeltgrenze des Übergangsbereichs von 1.300 Euro auf 1.600 Euro monatlich. Midijobber sind sozialversicherungspflichtig. Sie zahlen allerdings nur einen reduzierten Beitrag, der mit steigendem Entgelt an den normalen hälftigen Beitragssatz angepasst wird. Der Arbeitgeberbeitrag bemisst sich hingegen am tatsächlich erzielten Entgelt des Midijobbers.
Welche weitere Gesetzesänderung gibt es in Bezug auf Minijobber?
Neben der Anhebung des Mindestlohns und der Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze hat der Gesetzgeber eine weitere Änderung im Zusammenhang mit geringfügigen Beschäftigungen auf den Weg gebracht: Bisher durfte der Verdienst von Minijobbern die Geringfügigkeitsgrenze maximal drei Monate lang aufgrund eines unvorhersehbaren Mehrbedarfs an Arbeitsleistung überschreiten – sofern dabei die zulässige Jahresentgeltgrenze von 5.400 Euro nicht überschritten wurde. Nun wurde die Regelung in § 8 Abs. 1b SGB IV erstmals gesetzlich fixiert:
- Die maximale Dauer einer unvorhersehbaren Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze ist seit Oktober 2022 auf zwei Monate reduziert. Dies müssen Arbeitgeber in den Fällen, in denen ein unvorhersehbarer Mehrbedarf an der Arbeitsleistung des Minijobbers besteht, künftig unbedingt beachten.
- Dauert die unvorhersehbare Überschreitung länger als zwei Monate und wird die neue Jahresentgeltgrenze von 6.240 Euro überschritten, so besteht Versicherungspflicht. Hier müssen dann die entsprechenden Meldungen an die Einzugsstelle (Krankenkasse) abgegeben werden.
Was gilt es noch bei Minijobs zu beachten?
- Bei der Beurteilung, ob eine geringfügige Beschäftigung vorliegt oder nicht, ist nicht nur das monatliche Entgelt zu berücksichtigen. Vielmehr zählen hierzu auch Einmalzahlungen wie beispielsweise Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Diese Zahlungen sind nicht als unvorhersehbare Überschreitung der Entgeltgrenze in einem Monat zu bewerten, da der Arbeitnehmer mit ihnen bei Arbeitsaufnahme rechnen konnte. Falls sie Einmalzahlungen leisten, müssen Arbeitgeber also sicherstellen, dass durch diese Zahlungen die Jahresentgeltgrenze von künftig 6.240 Euro nicht überschritten wird. Andernfalls liegt von Beschäftigungsbeginn an keine Entgeltgeringfügigkeit vor.
- Ebenfalls vor Beschäftigung eines Minijobbers ist abzuklären, ob weitere geringfügige Beschäftigungen ausgeübt werden. Übt ein Minijobber mehrere geringfügige Beschäftigungen aus, so werden die Entgelte zusammengezählt. Dies führt zur Beitragspflicht in der Sozialversicherung.
- Darüber hinaus sei auf die Dokumentationspflichten der werktäglichen Arbeitszeit von geringfügig Beschäftigten hingewiesen. Diesen Nachweis muss der Arbeitgeber für mindestens zwei Jahre beginnend ab dem Aufzeichnungszeitzeitpunkt (spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertag) aufbewahren. Kommt er dieser Aufzeichnungspflicht nicht nach, droht ein Bußgeld.
- Zuletzt müssen die Minijobber auf die Möglichkeit der Befreiung in der Rentenversicherung hingewiesen werden. Hier bietet es sich an, den Arbeitsverträgen den Vordruck der Minijobzentrale sowie das dazugehörige Merkblatt zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Anlage beizufügen. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist für die gesamte Dauer der geringfügigen Beschäftigung bindend und kann nicht zu einem späteren Zeitpunkt zurückgenommen werden.
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