Fachkräfteeinwanderungsgesetz reformiert: Erleichterungen für Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland

Fachkräfteeinwanderungsgesetz – die wichtigsten Neuerungen für Arbeitgeber

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird es in den kommenden Jahren einen erheblichen Fachkräftemangel geben. Damit qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern leichter nach Deutschland kommen und hier arbeiten können, wurde kürzlich das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) reformiert. Was heißt das für Unternehmen? Die Änderungen im Überblick.

Im vierten Quartal 2024 verzeichnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fast 1,6 Millionen offene Stellen in Deutschland. Um den deutschen Arbeitsmarkt zu stützen, stärkt die Bundesregierung mit der kürzlich beschlossenen Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten. Insbesondere sollen bürokratische Hürden abgebaut und die Einreise erleichtert werden.

Für wen gilt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtet sich vor allem an Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, die zum Leben und Arbeiten nach Deutschland kommen wollen. Die Gesetzesänderung reduziert die Formalitäten zur Erlangung des erforderlichen Aufenthaltstitels, um die Zuwanderung zu stärken.

Die Neuerungen im Überblick

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft auf drei Ebenen Erleichterungen für ausländische Fachkräfte:

  • Wer einen in Deutschland anerkannten Abschluss hat, soll jede qualifizierte Tätigkeit ausüben können.
  • Wer einen Berufsabschluss im Herkunftsland und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung hat, darf ebenfalls in Deutschland arbeiten.
  • Die Bundesregierung führt eine Chancenkarte ein. Für Kriterien wie Deutsch- und Englischkenntnisse, Qualifikation und Berufserfahrung erhalten Fachkräfte Punkte. Die Chancenkarte kann bei der zuständigen Auslandsvertretung Deutschlands im Herkunftsland oder bei der örtlichen Ausländerbehörde in Deutschland beantragt werden. Sie berechtigt zur Einreise und zur Teilzeit- oder Probebeschäftigung.

Blaue Karte EU: Vereinfachte Einreise für Akademiker

Die Blaue Karte EU ist ein von der Europäischen Union eingeführter Aufenthaltstitel, der es hochqualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten ermöglicht, in einem EU-Mitgliedstaat zu leben und zu arbeiten. Für Inhaber der Blauen Karte EU gelten zudem verschiedene Erleichterungen, zum Beispiel beim Familiennachzug oder beim Arbeitgeberwechsel. Seit November 2023 gelten folgende Voraussetzungen für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels:

  • Es muss ein konkretes Angebot für einen Arbeitsvertrag von mindestens sechs Monaten vorliegen.
  • Das Gehalt muss mindestens 50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung betragen. Diese liegt im Jahr 2024 bei 90.600 Euro. Das Mindestgehalt beträgt somit 45.300 Euro.
  • Für bestimmte Berufsgruppen wie Informatiker, Naturwissenschaftler, Tierärzte, Ärzte und Ingenieure gilt eine niedrigere Entgeltgrenze. Sie beträgt 45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze, also rund 41.041 Euro. Die gleiche Grenze gilt für Berufseinsteiger, deren Hochschulabschluss nicht länger als drei Jahre zurückliegt.
  • Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie ist die Erteilung der Blauen Karte EU nach dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch ohne Hochschulabschluss möglich, wenn mindestens drei Jahre Berufserfahrung und besondere Kenntnisse nachgewiesen werden können. Auch hier gilt die niedrigere Gehaltsschwelle.

Erleichterungen für Fachkräfte mit Hochschul- oder Berufsabschluss
Ausländische Fachkräfte mit Hochschul- oder Berufsabschluss können nun in allen Berufen arbeiten, auch wenn diese nicht direkt mit ihrer Ausbildung in Verbindung stehen. Die Beschränkung auf Engpassberufe wurde aufgehoben. So können Arbeitgeber etwa einen studierten Mathematiker auch als IT-Spezialisten einstellen. Nicht möglich ist in diesem Rahmen jedoch die Übernahme von unqualifizierten Beschäftigungen.

Vereinfachungen für Fachkräfte mit Berufserfahrung

Bislang mussten Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten mit einem im Ausland erworbenen Berufsabschluss ein umfangreiches und langwieriges Anerkennungsverfahren durchlaufen. Das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz bringt hier deutliche Erleichterungen, um die Zuwanderung zu fördern.

Zuwanderer  müssen ihre Abschlüsse nicht mehr erst in Deutschland anerkennen lassen. Sie können bereits hier arbeiten, während das Anerkennungsverfahren noch läuft. Arbeitgeber und Fachkraft müssen sich lediglich verpflichten, notwendige Nachqualifizierungen zeitnah durchzuführen (Anerkennungspartnerschaft). Dafür müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss ein im Ausland erworbener Berufsabschluss (mindestens zwei Jahre Ausbildungsdauer) oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorliegen.
  • Zusätzlich müssen die Zuwanderer zwei Jahre einschlägige Berufserfahrung innerhalb der vergangenen fünf Jahre nachweisen.
  • Der Beruf darf nicht reglementiert sein.
  • Das Gehalt muss mindestens 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze betragen. Ist der einstellende Arbeitgeber tarifgebunden, entfällt diese Voraussetzung.

Erfüllen die Bewerber die Voraussetzungen nicht, durchlaufen sie das bisherige Anerkennungsverfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Die neue Chancenkarte

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat Deutschland zum 1. Juni 2024 die sogenannte Chancenkarte eingeführt. Hierbei handelt es sich um ein neues Instrument, das es qualifizierten Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern erleichtern soll, nach Deutschland einzuwandern. Es zielt darauf ab, Fachkräften mehr Flexibilität und Möglichkeiten zu bieten, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Die Chancenkarte basiert auf einem Punktesystem. Fachkräfte können anhand der folgenden Kriterien Punkte sammeln:

  • Berufliche Qualifikation
  • Einschlägige Berufserfahrung in dem gesuchten Berufsfeld
  • Deutschkenntnisse mindestens auf dem Niveau A1 (GER) oder Englischkenntnisse mindestens auf dem Niveau B2 (GER)
  • Alter
  • Deutschlandbezug (z. B. durch vorherige Aufenthalte oder familiäre Bindungen)
  • Potenzial des Ehegatten/Lebenspartners als Fachkraft

Erreicht ein Bewerber eine ausreichende Punktzahl, erhält er die Chancenkarte. Diese ermöglicht einen Aufenthalt von bis zu einem Jahr zur Arbeitssuche. In dieser Zeit kann die Fachkraft sich um einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz bemühen und unter bestimmten Voraussetzungen arbeiten (bis zu 20 Stunden pro Woche oder zweiwöchige Probebeschäftigung in Vollzeit). Wichtig: Bewerber müssen ihren Lebensunterhalt in Deutschland eigenständig sichern und krankenversichert sein.

Zuwanderung von Fachkräften ohne Berufserfahrung

Inzwischen herrscht in Deutschland auch ein starker Mangel an Personal für unqualifizierte Beschäftigungen. Bislang gab es kaum Möglichkeiten, Arbeitskräfte unabhängig von ihrer Qualifikation ins Land zu holen.

Eine dieser Optionen ist die Westbalkanregelung, mit der pro Jahr bis zu 25.000 Arbeitnehmer aus sechs Ländern (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo, Serbien) nach Deutschland kommen konnten. Diese Regelung wurde nun unbefristet verlängert und auf bis zu 50.000 Arbeitskräfte erweitert. Einreisende nach der Westbalkanregelung dürfen in Deutschland für bis zu vier Jahre arbeiten.

Weitere Änderungen durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Für Angehörige von Fachkräften gelten unter anderem folgende Erleichterungen beim Familiennachzug:

  • Ehepartner von in Deutschland tätigen Fachkräften müssen vor der Einreise keine Deutschkenntnisse mehr nachweisen.
  • Angehörige von Inhabern einer Blauen Karte EU, die sich bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhielten, benötigen für ihren Nachzug nach Deutschland lediglich Krankenversicherungsschutz, jedoch in der Regel keinen Nachweis der Lebensunterhaltssicherung.
  • Über 16-jährige Kinder einer Fachkraft können ihren Eltern nachziehen, ohne hierfür weitere Voraussetzungen erfüllen zu müssen.
  • Eltern und Schwiegereltern von ausländischen Fachkräften dürfen nach Deutschland kommen, sofern der Aufenthaltstitel Ihres Kindes oder Schwiegerkindes erstmals nach dem 29. Februar 2024 erteilt wurde. Voraussetzung hierfür ist, dass sie ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern und einen ausreichenden Kranken- und Pflegeversicherungsschutz nachweisen können.

Wann sind die Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Kraft getreten?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist stufenweise in Kraft getreten. Einige Regelungen, beispielsweise zur Blauen Karte EU, gelten bereits seit November 2023. Weitere Neuerungen, die den Zugang für ausländische Fachkräfte mit Berufserfahrung und für Auszubildende erleichtern, sind im März 2024 in Kraft getreten. Eine weitere wichtige Änderung, die Einführung der Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche, wurde am 1. Juni 2024 wirksam.

 

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