Fachkräfteeinwanderungsgesetz reformiert: Erleichterungen für Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland

Fachkräfteeinwanderungsgesetz – die wichtigsten Neuerungen für Arbeitgeber

 
Dem deutschen Arbeitsmarkt werden in den kommenden Jahren in großem Umfang Fachkräfte fehlen. Damit qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland leichter nach Deutschland kommen und hier arbeiten können, wurde nun das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) reformiert. Was bedeutet das für Unternehmen? Hier die Änderungen im Überblick.

Der Fachkräftemangel verschärft sich zunehmend. Im vierten Quartal 2022 verzeichnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fast zwei Millionen offene Stellen in Deutschland. Um den deutschen Arbeitsmarkt zu fördern, stärkt die Bundesregierung mit der jüngst beschlossenen Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern. Insbesondere sollen bürokratische Hemmnisse abgebaut und die Einreise erleichtert werden.

Für wen gilt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz richtet sich vorwiegend an Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern, die nach Deutschland kommen wollen, um hier zu leben und zu arbeiten. Um die Zuwanderung zu stärken, strebt die Gesetzesänderung danach, die Formalitäten auf dem Weg zum erforderlichen Aufenthaltstitel zu verringern.

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Überblick

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft Erleichterungen für ausländische Fachkräfte auf drei Ebenen:

  • Personen mit einem in Deutschland anerkannten Abschluss sollen jede qualifizierte Tätigkeit ausüben können.
  • Wer einen Berufsabschluss im Herkunftsland und wenigstens zwei Jahre Berufserfahrung hat, darf ebenfalls in Deutschland arbeiten.
  • Die Bundesregierung führt eine Chancenkarte ein. Für Kriterien wie Deutsch- und Englischkenntnisse, Qualifikation und Berufserfahrung erhalten die Fachkräfte Punkte. Die Chancenkarte berechtigt zur Einreise und zu einer Arbeit in Teilzeit oder Probebeschäftigungen.

Blaue Karte EU: vereinfachte Einreise für Akademiker

Die Blaue Karte EU ermöglicht Fachkräften mit einem Hochschulabschluss aus Nicht-EU-Staaten künftig noch einfacher die Erlangung eines Aufenthaltstitels. Die Voraussetzungen:

  • Sie benötigen einen konkret angebotenen Arbeitsvertrag für mindestens sechs Monate.
  • Das Gehalt muss mindestens 50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung betragen. 2023 beträgt diese 87.600 Euro. Das Mindestgehalt liegt somit bei 43.800 Euro.
  • Eine niedrigere Gehaltsschwelle gilt für bestimmte Berufszweige wie IT-Spezialisten, Naturwissenschaftler, Tierärzte, Ärzte und Ingenieure. Sie beträgt 45,3 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze und somit rund 39.680 Euro. Dieselbe Grenze gilt für Berufseinsteiger, deren Hochschulabschluss bis zu drei Jahre zurückliegt.
  • In der Informations- und Kommunikationstechnologie ist die Ausstellung der Blauen Karte EU nach dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch ohne Hochschulabschluss möglich, wenn mindestens drei Jahre Berufserfahrung und besondere Kenntnisse nachgewiesen werden können. Auch hier gilt die niedrigere Gehaltsschwelle.

Künftig gelten für Inhaber der Blauen Karte EU Erleichterungen, beispielsweise beim Familiennachzug oder dem Wechsel des Arbeitgebers.
 

Erleichterungen für Fachkräfte mit Hochschul- oder Berufsabschluss
Wer einen anerkannten Berufsabschluss besitzt, soll künftig in Deutschland jeden qualifizierten Beruf ausüben können. So können Arbeitgeber etwa einen studierten Mathematiker auch als IT-Spezialisten einstellen. Nicht möglich ist in diesem Rahmen jedoch die Übernahme von unqualifizierten Beschäftigungen.

Vereinfachungen für Fachkräfte mit Berufserfahrung

Aktuell müssen Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern mit einem im Ausland erworbenen Berufsabschluss ein umfangreiches und langwieriges Anerkennungsverfahren durchlaufen. Diesbezüglich gibt es künftig deutliche Erleichterungen, um die Zuwanderung zu fördern.

Einwanderer müssen ihren Abschluss nicht mehr im Vorfeld in Deutschland anerkennen lassen. Sie können bereits hier arbeiten, während das Anerkennungsverfahren noch läuft. Der Arbeitgeber und die Fachkraft müssen sich lediglich verpflichten, erforderliche Nachqualifizierungen zeitnah zu erledigen (Anerkennungspartnerschaft). Dafür sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Sie benötigen einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss (mindestens zwei Jahre Ausbildungsdauer) oder ein abgeschlossenes Hochschulstudium.
  • Zusätzlich müssen sie zwei Jahre einschlägige Berufserfahrung in den letzten fünf Jahren nachweisen.
  • Es darf kein reglementierter Beruf sein.
  • Das Gehalt muss mindestens 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze betragen. Ist der einstellende Arbeitgeber tarifgebunden, entfällt diese Anforderung.

Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist das bisherige Verfahren der Anerkennung einzuhalten, um einen Aufenthaltstitel zu erreichen.

Die neue Chancenkarte im Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz führt die neue Chancenkarte ein. Diese soll es Fachkräften mit mindestens zweijähriger Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss aus dem Ausland ermöglichen, in Deutschland zu arbeiten, sofern ihr Lebensunterhalt gesichert ist.

Die Chancenkarte beruht auf einem Punktesystem. Fachkräfte können anhand der folgenden Kriterien Punkte sammeln:

  • berufliche Qualifikation
  • Berufserfahrung
  • Deutsch- und Englischkenntnisse
  • Alter
  • frühere Aufenthalte in Deutschland
  • Potenzial mitreisender Lebens- oder Ehepartner

Erreichen sie mindestens sechs von zehn Punkten, erhalten sie die Chancenkarte. Voraussetzung für den Erhalt sind außerdem deutsche Sprachkenntnisse auf Level A1. Die Chancenkarte gilt für ein Jahr und kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn die Fachkraft ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung erhält. Während dieser Zeit kann sie nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz suchen, bis zu 20 Stunden pro Woche arbeiten oder für höchstens zwei Wochen am Stück in Vollzeit auf Probe arbeiten.

Zuwanderung von Fachkräften ohne Berufserfahrung

Inzwischen herrscht in Deutschland auch ein starker Mangel an Personal für unqualifizierte Beschäftigungen. Bislang gab es kaum Möglichkeiten, Arbeitskräfte unabhängig von ihrer Qualifikation ins Land zu holen.

Eine dieser Optionen ist die Westbalkan-Regelung, mit der pro Jahr bis zu 25.000 Arbeitnehmer aus sechs Ländern (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo, Serbien) nach Deutschland kommen konnten. Diese zunächst befristete Regelung wurde nun unbefristet verlängert und auf bis zu 50.000 Arbeitskräfte erweitert. Die Einreisenden können für höchstens vier Jahre in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten.

Neu ist außerdem die Einstellung von Kontingentbeschäftigten. Die Bundesagentur für Arbeit legt für bestimmte Branchen ein Kontingent an Fachkräften fest, darunter:

  • Gesundheitswesen
  • Kinderbetreuung
  • Informations- und Kommunikationstechnologie
  • Bauberufe
  • einige Produktions- und Dienstleistungsberufe

Im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes können Unternehmen mit Tarifbindung oder aus Branchen mit allgemeinverbindlichem Tarifvertrag Arbeitskräfte ohne Prüfung von deren Qualifikation beschäftigen. Hierfür benötigen die Mitarbeiter eine Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit. Ein Visum ist nicht erforderlich. Die Dauer der Einsätze ist auf 90 Tage begrenzt. Sie können nicht mit einer “kurzfristigen Beschäftigung” kombiniert werden. Entsprechend sind die Arbeitsverhältnisse von Beginn an sozialversicherungspflichtig. Arbeitgeber dürfen innerhalb von zwölf Monaten höchstens zehn Monate lang Kontingentbeschäftigte beschäftigen.

Weitere Änderungen durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Neben diesen erheblichen Änderungen des Einwanderungsrechts gibt es einige weitere Neuerungen:

  • Künftig können Fachkräfte mit einem Touristenvisum nach Deutschland einreisen und von hier aus eine Blaue Karte EU oder einen alternativen Aufenthaltstitel beantragen, der die Arbeitsaufnahme erlaubt.
  • Die Regeln zum Familiennachzug sollen gelockert werden. So können künftig neben dem Ehepartner und den eigenen Kindern auch Eltern und Schwiegereltern mit der ausländischen Fachkraft nach Deutschland kommen.
  • Asylbewerber können ohne vorherige Ausreise ihren Asylantrag zurückziehen und stattdessen eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit beanspruchen, wenn sie ein Arbeitsplatzangebot haben. Dafür muss ihr Asylantrag am 29. März 2023 bereits bestanden haben.

Wann treten die Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Kraft?

Der Bundesrat hat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz am 7. Juli 2023 beschlossen und am 18. August 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Gesetz tritt am 1. März 2024 in Kraft. Einige Regelungen gelten jedoch bereits ab dem 18. November, beispielsweise zur Blauen Karte EU. Weitere Änderungen treten gestaffelt zum 1. bzw. 2. Juni 2024 und zum 1. Januar 2026 in Kraft. Zweck dieser Verteilung ist, dass sich die zuständigen Behörden an die Neuerungen anpassen können.

Fazit zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Arbeitgebern, die für sich Chancen auf dem ausländischen Arbeitsmarkt sehen, eröffnet das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die damit verbundene Zuwanderung neue Möglichkeiten. Insbesondere könnte der Abbau der Bürokratie helfen, Arbeitnehmer aus dem Ausland schneller in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren.
 

Sabine Hutter
Autorin dieses Beitrags
Sabine Hutter ist freie Texterin aus dem bayerischen Waidhofen. Die Betriebswirtin und ehemalige Personalreferentin schreibt in diesem Blog Beiträge zu HR-Themen.
[gekonnt-gesagt.de]

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