Künstliche Intelligenz: Chancen und Risiken für den Mittelstand
Spätestens seit der Veröffentlichung des Chatbots “chatGPT” im November 2022 beschäftigen sich auch mittelständische Unternehmen mit dem Thema künstliche Intelligenz, abgekürzt: KI. Doch welche Chancen bietet KI der Wirtschaft eigentlich? Und welche Risiken sind damit verbunden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich KI-Experte Professor Dr. Dirk Johannßen im Videotalk “Butter bei die Fische”.
Gegenwärtig erlebt das Thema künstliche Intelligenz in der Öffentlichkeit einen regelrechten Boom. Dabei stammen der Begriff und die dahinter stehenden Planungssysteme und Verfahren aus den 1950er-Jahren, sind also seit Langem bekannt. Doch erst technologische Durchbrüche in jüngerer Vergangenheit, etwa beim maschinellen “deep learning”, haben die Leistungsfähigkeit heutiger KI-Systeme ermöglicht, sagt Dirk Johannßen, KI-Experte bei der effective WEBWORK GmbH und Professor für künstliche Intelligenz in der Mensch-Maschine-Interaktion an der FH Westküste.
Der erste Schritt hin zu einer leistungsfähigen KI sei ein Umdenken beim Schutz des Quellcodes der KI-Lösung “Tensorflow” von Google im Jahr 2015 gewesen, erläutert Johannßen. Seitdem habe sich einiges getan. Mittlerweile seien die nötigen Rechnerkapazitäten verfügbar. Zudem wachse die Menge brauchbarer Daten kontinuierlich an, weil Unternehmen erkannt hätten, dass Daten “das neue Gold” seien. Beste Voraussetzungen für einen weiteren Siegeszug von KI? Ja, sagt der Experte im Videotalk mit HS Geschäftsführer Ulrich Brehmer – und warnt zugleich vor Risiken.
Wie können Unternehmen künstliche Intelligenz einsetzen?
Die möglichen Einsatzszenarien für KI in Unternehmen sind nach Einschätzung von Dirk Johannßen vielfältig. Beispielsweise lassen sich durch Zeitreihenanalysen und Suchalgorithmen die Flottenplanung in der Schifffahrt oder Fracht- und Laderouten optimieren. In der Versicherungsbranche können neuronale Netze in Verbindung mit Bildverarbeitungssystemen zur Automatisierung der Schadensregulierung bei kleineren Schadenssummen führen. Und dann sind da noch Sprachmodelle wie Chatbots. Diese erfordern allerdings ein extrem hohes Maß an Training, riesige Datenmengen und große Rechnerkapazitäten, um befriedigende Ergebnisse zu liefern.
Unter dem Strich weisen alle Einsatz-Szenarien eine Gemeinsamkeit auf: Es kommt stets darauf an, bei einem Sachverhalt die immer gleiche Entscheidung zu treffen – wobei es jeweils nur eine richtige Entscheidung gibt und verschiedene Menschen ebenfalls zu dieser Entscheidung gekommen wären. Weiteres wichtiges Kriterium: Die Entscheidung ist nicht durch herkömmlichen Programmiercode abbildbar. Nur dann könne von künstlicher Intelligenz gesprochen werden, sagt Johannßen.
Welche Risiken sind mit dem Einsatz von KI verbunden?
In der gegenwärtigen Diskussion geht es aber auch um die Gefahren von KI für Gesellschaft, Demokratie oder den Rechtsstaat. Diese Sorgen hält Experte Johannßen für nachvollziehbar, denn zum ersten Mal in der Geschichte der künstlichen Intelligenz erweckten Sprachmodelle wie chatGPT den Anschein menschlicher Interaktion. KI-Systeme bzw. neuronale Netze mit einer solchen Leistungsfähigkeit seien nur schwer beherrschbar. So seien zum Beispiel bei chatGPT bis zu 175 Milliarden Parameter eingebracht worden. Dies lasse sich durch menschliches Handeln nicht mehr steuern oder kontrollieren. Aus diesem Grund empfiehlt der Experte, KI-Systeme als reine Werkzeuge zu betrachten und deren Nutzung – nicht deren Erstellung – zu regulieren.
Drei Tipps zum Thema KI für Mittelständler
- Suchen Sie die Kooperation mit der Wissenschaft — Hier bietet es sich beispielsweise an, Werkstudenten zu beschäftigen oder Master- und Promotionsarbeiten zum eigenen unternehmensspezifischen KI-Projekt zu vergeben.
- Gehen Sie beim Datensammeln nach dem Modell der Knowledge Discovery in Databases (dt.: Wissensentdeckung in Datenbanken) vor — Die notwendigen Schritte beschreibt Johannßen so: zuerst die Fragestellung, die mit KI gelöst werden soll, exakt festlegen, dann den Datentopf definieren, Daten herausziehen, Daten reinigen, Daten transformieren, Daten im Modell nutzen und anschließend das Modell evaluieren.
- Greifen Sie nicht einfach auf vorhandene Datentöpfe zu — Grund hierfür ist, dass die benötigten Daten eine hohe Qualität und Quantität aufweisen und zudem zu der zu untersuchenden Fragestellung passen sollten.
Bildquellen: HS – Hamburger Software